Seit einigen Wochen ist Andreas Becherer Teil des Bundestrainer-Teams beim Deutschen Eishockey-Bund e.V. (DEB) und übernimmt in seiner neuen Rolle als U18-Bundestrainer Verantwortung im Nachwuchsbereich. Im Interview spricht der 46-Jährige über seine ersten Eindrücke, die Unterschiede zur Trainerarbeit im Verein, den Umgang mit jungen Spielern und die Vorbereitung auf die kommenden Maßnahmen. Im August tritt die U18-Auswahl des DEB beim traditionsreichen Hlinka Gretzky Cup an, bei dem sich die besten Talente der Nationen im Vergleich messen.
Wie verlief dein Einstieg beim DEB, wie hast du die ersten Wochen erlebt?
Andreas Becherer: „Zuerst einmal habe ich alle Personen, mit denen ich eng zusammenarbeite, kennengelernt und ziemlich schnell festgestellt, dass es wirklich angenehm ist, beim DEB zu arbeiten. Alle sind offen und hilfsbereit, das hat es mir leicht gemacht in meine neue Position hineinzukommen. Manche Abläufe unterscheiden sich im Verband ein wenig gegenüber denen im Verein. Da musste ich mich erst einmal reinarbeiten. Mittlerweile funktioniert das jetzt schon gut.“
Nimm uns doch mal ein bisschen in deinen Alltag der letzten Wochen mit…
Andreas Becherer: „Vieles hat sich um die Vorbereitung gedreht – organisatorisch wie auch sportlich. Vereinsbesuche gab es bisher nur vereinzelt, da viele Teams aktuell im Sommertraining sind. Wichtig war mir vor allem der persönliche Kontakt zu den Spielern. Nachdem der Kader für den Hlinka Gretzky Cup intern nominiert wurde, habe ich alle Spieler, die auf Abruf stehen, persönlich angerufen. Ich finde, es macht einen Unterschied, ob man nur ein Blatt Papier mit dem Hinweis „auf Abruf“ bekommt oder ob man miteinander spricht. Das gibt den Spielern ein Stück weit ein besseres Gefühl, auch wenn es wahrscheinlich nicht über die Tatsache hinwegtröstet, dass sie jetzt zunächst nicht dabei sind. Mit den nominierten Spielern führe ich aktuell Video-Einzelgespräche. Ich möchte sie kennenlernen, und sie sollen auch mich schonmal gesehen haben. Dabei besprechen wir bereits erste wichtige Punkte, damit wir dann beim Turnier in der Slowakei nicht bei null anfangen.“
„Sie sollen nicht das Eishockeyspielen vergessen, nur weil sie zu viel nachdenken müssen“
Du hast zuletzt als Trainer in einem Verein gearbeitet. Was sind die größten Unterschiede zur Verbandsarbeit?
Andreas Becherer: „Der größte Unterschied ist sicher die Zeit, die du gemeinsam mit deiner Mannschaft verbringst. Im Verein siehst du dich über die komplette Saison quasi täglich und kannst über Wochen intensiv an einzelnen Themen arbeiten. Hier im Verband geht es oft um eine gezielte Vorbereitung auf ein Turnier – da bleiben uns vor dem Hlinka Gretzky Cup gerade einmal vier Trainingseinheiten bis zu unserem ersten Einsatz. Das Ganze muss man dann für sich erst einmal im Kopf sortiert bekommen, dass es alle Inhalte komprimiert und auf einen kurzen Zeitraum auszulegen gilt. Hier heißt es viel mehr Prioritäten zu setzen. Gleichzeitig wollen wir als Trainerteam die Spieler nicht mit Informationen überfrachten. Sie sollen nicht das Eishockeyspielen vergessen, nur weil sie zu viel nachdenken müssen. Ich glaube in der kurzen Zeitspanne unserer Zusammenarbeit ist das eine der Herausforderungen.“
Mit wem arbeitest du im Verband besonders eng zusammen, wen fragst du um Rat?
Andreas Becherer: „Das kommt auf die Frage an. Wenn es um die generelle Planung und Durchführung geht, ist Tobias Abstreiter natürlich ein wichtiger Ansprechpartner – er bringt die meiste Erfahrung als Nachwuchs-Bundestrainer mit. Daher tauschen wir uns sehr regelmäßig aus. Auch die Gespräche mit U16-Bundestrainer Robin Beckers sind für mich sehr wertvoll, da er natürlich viele Spieler bereits gut kennt.“
„Ich habe den Vorteil, dass ich 2023 schon einmal als Assistenztrainer dabei war“
Ist die Tätigkeit als Bundestrainer so wie du sie dir vorgestellt hast?
Andreas Becherer: „Es gibt einige administrative Aufgaben zu erledigen, die ich im Vorfeld nicht alle auf dem Schirm hatte. Im Großen und Ganzen gab es keine Überraschungen für mich. Ich habe allerdings auch den Vorteil, dass ich im Jahr 2023 schon einmal als Assistenztrainer bei einer Nachwuchs-Maßnahme dabei war. Also wusste ich ungefähr, wie die Abläufe und Planungen vor und bei einem großen Turnier ablaufen.“
Dein letzter Trainerjob war im Seniorenbereich angesiedelt, jetzt arbeitest du wieder mit jungen Spielern. Was sind die Unterschiede?
Andreas Becherer: „Beides hat seinen Reiz. Bei den Profis sind viele Dinge eingespielt – Abläufe, Strukturen, Gewohnheiten. Das bringt eine gewisse Routine mit sich. Im Nachwuchsbereich ist das anders: Die Spieler stehen noch am Anfang ihres Weges, viele gehen noch zur Schule. Da muss man andere Dinge berücksichtigen. Bei den Profis ist klar, wenn das Training morgens um 8 Uhr beginnt, dann sind alle da. Im Jugendbereich ist das aufgrund anderweitiger Verpflichtungen nicht immer möglich. Die Spieler in der U18-Nationalmannschaft haben aber alle ein klares Ziel – sie wollen Profis werden. Und genau das macht es für mich spannend. Sie auf diesem Weg zu begleiten, ihnen zu zeigen, was es braucht, um Profi zu werden. Strukturen, Trainingsverhalten, Auftreten – all das mitzugeben, ist für mich das Besondere an der Arbeit im Nachwuchsbereich.“
„Wir können nicht mit 23 Spielern Überzahl spielen“
Wie schwer ist es für die jungen Spieler ihre Rollen zu finden, wenn sie von ihrem Heimatverein zur U18-Nationalmannschaft kommen?
Andreas Becherer: „Das ist hundertprozentig eine unserer großen Aufgaben. Zum Beispiel beim Thema Überzahl – ich bin fast der Überzeugung, dass jeder, der bei uns im Kader steht, im Verein Überzahl spielt. Aber wir können nicht mit 23 Spielern Überzahl spielen, also müssen wir eine Auswahl treffen. Die besten deutschen Spieler ihres Jahrgangs werden auch in ihren Vereinen verantwortungsvolle Rollen innehaben. Da müssen sie sich bei der Nationalmannschaft erst wieder ein Stück weit finden und anpassen. Aber das macht es ja gerade für uns so spannend, die Fähigkeit zu vermitteln auch in andere Rollen schlüpfen können. Das ist im Ligenbetrieb ebenso der Fall. Ein Spieler, der beispielsweise in der U20-Liga viel Eiszeit und viel Verantwortung erhält, wird bei seinen ersten Schritten im Profibereich auch nicht die gewohnte Rolle übernehmen. Und dann gilt es, mental damit umgehen zu können und die neue Aufgabe anzunehmen. Je früher sich die Spieler das entsprechende Mindset aneignen und offen für Veränderungen sind, desto weniger werden sie später daran scheitern.“
Deine erste offizielle Maßnahme als Cheftrainer wird direkt der renommierte Hlinka Gretzky Cup sein. Wie gehst du damit um?
Andreas Becherer: „Sowohl das Trainerteam als auch die Spieler freuen sich schon auf das Turnier. Das haben mir alle Beteiligten unabhängig voneinander in unseren Einzelmeetings zu verstehen gegeben. Es ist zwar meine erste offizielle Maßnahme, aber ich bin ja nicht alleine, sondern habe einen guten und erfahrenen Coaching-Staff dabei, mit dem ich mir die Aufgaben aufteile. Wir müssen jetzt angesichts der kurzen Vorbereitungszeit das Beste aus uns herausholen. Der Hlinka Gretzky Cup wird der Start unserer ersten gemeinsamen Saison sein, die dann mit der Teilnahme an der diesjährigen Weltmeisterschaft endet. Es müssen im August noch nicht alle Dinge perfekt sein und alles reibungslos laufen. Wichtig ist, dass wir als kompakte Einheit auftreten und unabhängig vom Ergebnis, ein gutes Turnier spielen. Wir wollen uns vor allem über die gesamte Saison hinweg weiterentwickeln und am Ende bei der WM unsere bestmögliche Leistung zeigen.“

