2002 war er als aktiver Spieler bei den Olympischen Winterspielen in Salt Lake City, 2018 als Co-Trainer Teil der Silbermedaillen-Mannschaft von Pyeongchang – und 2022 wird er als DEB-Sportdirektor nach Peking reisen. Im Interview spricht Christian Künast über die Besonderheiten von Olympia und verrät, warum seine Silbermedaille an einem ganz einfachen Nagel hängt.
Christian, du hast Olympia in verschiedenen Positionen erlebt. Kannst du beschreiben, wie Olympia als Spieler und wie Olympia als Trainer ist?
Christian Künast: Wenn du als Spieler bei Olympischen Spielen bist, dann nimmst du mehr mit. Du schaust zu anderen Sportarten, die du normalerweise nicht wirklich mitbekommst. Du unterstützt andere Athleten, die Stimmung im Deutschen Haus ist fantastisch. Als Trainer bekommt man davon nicht ganz so viel mit, denn die Zeit ist sehr arbeitsintensiv.
Was macht man so als Trainer an einem Olympia-Tag?
Christian Künast: Training vor- und nachbereiten, Spiele vorbereiten, Gegner analysieren, Videos schneiden, Meetings im Betreuerteam, Meetings mit den Spielern. 2018 haben wir schon versucht, auch mal eine Stunde pro Tag etwas Anderes zu machen, aber das ist wirklich schwierig. Ich erinnere mich noch, dass ich 2002 bei einem anderen Wettbewerb war: Das war ein Biathlon-Rennen der deutschen Frauen, bei dem Laura Dahlmeier eine weitere Goldmedaille geholt hat.
Was macht Olympia so besonders?
Christian Künast: Als aktiver Sportler ist Olympia eines der großen Karriereziele. Wenn du das erreichst, ist es etwas Besonderes. Oft – das sehen wir jetzt auch bei unserer Frauen-Nationalmannschaft – ist es eine Once-in-a-lifetime-Chance. Dass sehr viele Sportarten an einem Ort zusammenkommen, das gibt es sonst nicht. Wenn ich allein an die Essenshalle denke, das ist unglaublich: Du gehst rein und es sitzen Sportler aus allen möglichen Nationen da beim Essen. Du triffst dich, du plauderst, du tauschst dich aus. Olympia ist auch eine Bühne, die es nur alle vier Jahre gibt. Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen – das schaffen wir im Eishockey nicht so oft.
Was war für dich der emotionalste Olympia-Moment?
Christian Künast: Das ist klar, das war 2018 im Viertelfinale: Patrick Reimer hat in der 62. Minute das Overtime-Tor geschossen. Dann ging der Schiri zum Videobeweis. Da war ich ein richtiges Nervenbündel. Ich war zwar mit unserem Video-Coach per Funk verbunden, der hat mich beruhigt und mir gesagt, dass es ein Tor war. Aber du weißt ja trotzdem nicht, was der Schiri auf dem Eis entscheidet. Dann kam der Schiri zurück, ist in die Mitte der Eisfläche gegangen, hat das Mikro angemacht – und durch die Halle hallte sein „It’s a good goal“. Ich habe jetzt noch Gänsehaut, wenn ich das erzähle. Es gibt aber natürlich auch einen emotional-negativen Moment: Das Finale gegen Russland habe ich bislang nicht noch mal angesehen. Auch wenn Zusammenfassungen im Fernsehen laufen, schalte ich weg.
Und was war dein emotionalster Moment als Spieler bei den Olympischen Winterspielen 2002 in Salt Lake City?
Christian Künast: Sportlich war es durchwachsen, da waren wir deutlich weiter weg von den Top-Nationen. Aber es gab unglaublich schöne Momente, wenn wir die Medaillen von anderen Sportlern mitgefeiert haben. Was für immer in Erinnerung bleiben wird, ist die Eröffnungsfeier. Wenn du in das volle Stadion einläufst, die Fans richtig jubeln – die Begeisterung in den USA ist ja noch mal deutlich größer als überall sonst. Das ist unglaublich emotional.
Welche Bedeutung hat Olympia für den DEB?
Christian Künast: Olympia ist für uns ein sehr, sehr großes Ereignis. Es ist eine Bühne, auf der wir uns präsentieren können. Seit Olympia in Pyeongchang 2018, als wir als „Außenseiter“ rein sind und erst zum zweiten Mal überhaupt eine Medaille geholt haben, ist die Bedeutung noch gestiegen. Eine Medaille zu gewinnen, ist etwas Einzigartiges. In unserem großen Konferenzraum hängt ein gerahmtes Olympia-Trikot mit Silbermedaille. Das hebt die Bedeutung noch mal heraus.
Hast du mal in die Medaille gebissen? Und wenn ja, nach was schmeckt sie?
Christian Künast: Richtig reingebissen habe ich zwar nicht, aber was ich sagen kann: Sie schmeckt eigentlich mehr nach Eisen.
Wo ist denn deine Olympia-Silbermedaille?
Christian Künast: Die hängt in meinem Arbeitszimmer an einem ganz einfachen Nagel. Ich habe schon öfter gesagt, ich brauche eine bessere Lösung. Aber eigentlich finde ich es schön, wenn sie schlicht an dem Nagel hängt. Ich bin fast jeden Tag in meinem Arbeitszimmer, dann sehe ich die Medaille. Bevor sie verstaubt, hängt sie lieber rum.
Lass uns noch über Olympia 2022 sprechen. Es ist ja nicht mehr lang hin – und es werden besondere Olympische Winterspiele. Nicht nur wegen der Corona-Pandemie, sondern auch wegen der politischen Umstände. Was erwartet ihr?
Christian Künast: Es wird eine besondere Situation. Es ist in China, und über Olympia in China kann man diskutieren. Der Sport sollte im Vordergrund stehen. Aber jeder kann und sollte seine eigene Meinung haben zu Dingen, die China macht. Dennoch ist Olympia für jeden Athleten und für jeden Funktionär ein Traum. Und diesen Traum sollte man leben, wenn man ihn leben kann. Durch Corona wird es zusätzlich schwierig. China passt sehr gut auf, dass nichts passiert. Das ist verständlich, es ist nur die Frage, wie man das macht. Es wird enorm schwierig und es ist eine zusätzliche Belastung: Aber trotzdem wollen wir den Sport nach vorn stellen.
Was sind eure Erwartungen und Ziele?
Christian Künast: Da ist Toni Söderholm der bessere Ansprechpartner. Erst mal ist entscheidend, mit welchem Kader wir nach Peking fliegen. Erst wenn wir wissen, welche Mannschaft wir haben und welche die Gegner, können wir uns die Ziele genau setzen.
Aktuell ist die Herren-Nationalmannschaft in den Top fünf der Welt. Da kann man doch schon mit breiterer Brust reingehen …
Christian Künast: Man sollte immer an sich glauben. Und man sollte vielleicht als Ziel vom Viertelfinale sprechen. Aber bei Olympia kann alles passieren, man kann Pech haben, andere können besser sein. Wir sind aktuell auf Platz fünf in der Welt, aber die Top-Nationen sind richtig eng zusammen. Was ich aber verraten kann: Langfristig wollen wir uns definitiv in den Top sechs platzieren.
Das ist doch ein gutes Schlusswort. Vielen Dank für das Gespräch, Christian!