Eigentlich hatte Tabea Botthof für diesen Herbst ganz andere Pläne. Zurück in die USA an die Universität Yale, das Studium fortsetzen und natürlich weiter College-Eishockey spielen. Doch die Corona-Pandemie hat auch die Absichten der Nationalspielerin komplett durcheinandergebracht. „Unsere Liga hat beschlossen, dass sie bis 1. Januar vorläufig die Saison canceln und dann hätte ich dort bis Januar kein Eishockey spielen können“, erzählt Botthof am Rande des Lehrgangs der DEB-Frauen in Füssen. Ihre Alternative: ein Jahr Uni-Pause, zurück zu ihrem früheren Verein ESC Planegg und dann – wenn alles gut geht – 2021 das Studium wieder aufnehmen. Zwei Jahre hat die 20-Jährige schließlich noch bis zum Abschluss.
„Ich habe keine Uni für die kommenden beiden Semester, sondern arbeite und mache Praktika, während ich in Planegg spiele“, berichtet die Verteidigerin. Weil ihr Psychologie-Studium mit dem Schwerpunkt Neurowissenschaften ruht, wird Botthof auf einer Station für innere Medizin und Gastroenterologie im Krankenhausalltag Erfahrungen sammeln, ihren Wissensschatz vergrößern. Wenn sie aufs Eis geht, dann ist der Fokus schon voll auf die Olympia-Qualifikation im August 2021 gerichtet. „Das zieht sich seit vier Jahren wie ein roter Faden und als Motivation durch. Es ist jetzt nicht mehr weit weg und im Hinterkopf immer der Mittelpunkt aller Maßnahmen“, sagt Botthof.
Auch Ende August bei den Lehrgangstagen im Allgäu war das nicht anders. Und schon jetzt erkennt Botthof, die mit 16 bereits für das A-Team debütierte, eine „unglaubliche Kämpfermentalität“ in der Mannschaft von Frauen-Bundestrainer Christian Künast. „Das kommt zum einen daher“, erklärt Botthof, „dass wir es im Fraueneishockey nicht so wahnsinnig einfach haben und wir in vielen Fällen jonglieren müssen zwischen Ausbildung, Bundeswehr, Beruf und so weiter. Und ich glaube auch, dass wir in den letzten Jahren eine extreme Entwicklung durchgemacht haben und man merkt, dass wir viel Talent und viel Niveau haben.“ All das kann gewiss auch für das erhoffte Ticket zu den Winterspielen 2022 in Peking ein Faustpfand werden.
Das Leben am College hat Botthof bisher genossen, facettenreich findet sie, gehe es am Campus zu. Auch neben dem Eishockey gebe es jede Menge andere Betätigungsfelder, „unendlich viele Möglichkeiten“, wie Botthof erzählt. Auch der Zusammenhalt sei dementsprechend ausgeprägt. „Viele haben dann auch Freunde von anderen Sportarten und da schaut man sich dann gerne mal etwas an. Wir waren mit der Mannschaft einmal zusammen bei einem Fußballspiel oder beim Schwimmen und Turmspringen. Das ist auf jeden Fall sehr cool“, betont die gebürtige Landshuterin.
Aber auch die Rahmenbedingungen für ihren Sport sind geradezu ideal. Schon morgens gibt es die Chance für Individualtraining: Schießen, Passen, Laufen, wonach einem eben der Sinn steht. Nach den Vorlesungen und Seminaren folgt dann das tägliche Mannschaftstraining von bis zu zwei Stunden. Zu den Auswärtsspielen reist das Team in der Regel einen Tag vorher an, alles ist professionell strukturiert. Botthof profitiert davon und schätzt diese Vorzüge für ihre sportliche Entwicklung. „Ich mag das Campusleben am College in Amerika total gerne“, sagt Botthof, „aber ich glaube, danach möchte ich auf jeden Fall wieder zurück nach Deutschland.“
In Yale zählt sie zu den Stützen der Mannschaft, erhält viel Lob. Und auch im Nationalteam ist Botthof kaum wegzudenken, war als damals jüngstes Teammitglied schon 2017 Teil der WM-Mannschaft, die Rang vier in Plymouth/USA erreichte – das beste WM-Ergebnis des DEB bei den Frauen überhaupt. Wenn Botthof nicht auf dem Eis steht oder für ihren Abschluss büffelt, löst sie mit Vorliebe Kreuzworträtsel oder singt auch mal „sehr gerne laut“ in der Kabine. Besondere Entspannung findet die Studentin jedoch beim Klavier spielen, einer weiteren wirklichen Leidenschaft. „Das ist für mich ein extrem guter Ausgleich“, sagt sie.
Begonnen hat Botthof mit dem Eishockey im siebten Lebensjahr in Erding, blieb dort lange während der Nachwuchszeit und wechselte dann für eine Saison nach Planegg, bevor nach dem Abitur das Abenteuer USA startete. Im Jahr zuvor hatte sie sich in Amerika bei einem Scoutingturnier auffällig präsentiert und den Kontakt zu einer Unimannschaft geknüpft. Nach einem Vorbereitungsjahr, das 2018 mit dem Diplom an einer Kent-School endete, kam das Angebot aus Yale. Gerne will Botthof bald wieder dorthin, vielleicht aber hat sie dann das Olympia-Ticket schon in der Tasche.