City-Press

„Müssen Kinder und Eltern für unseren Sport begeistern“

Der Bundestrainer steckt bereits mitten in der WM-Planung / Vier Länderspiele vor deutschen Fans / Euphorie nutzen, aber realistisch bleiben: „Werden nicht plötzlich der Favorit sein“

Rund einen Monat ist es her, dass die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft mit dem Gewinn der Silbermedaille bei den Olympischen Spielen Geschichte geschrieben und hierzulande eine neue Eishockey-Euphorie entfacht hat. Während die Nationalspieler bei ihren Clubs nun mitten in den DEL-Playoffs stehen, bereitet sich der Vater des Erfolges von Pyeongchang, Bundestrainer Marco Sturm, bereits auf den nächsten Höhepunkt vor: Die 2018 IIHF Eishockey-Weltmeisterschaft in Dänemark (4. – 20. Mai 2018). Der 39 Jahre alte Coach plant derzeit die am 2.April beginnende Vorbereitungsphase.

Im Rahmen des Euro Hockey Challenge geht es für die Nationalmannschaft zunächst ins russische Sotschi, wo gegen Gastgeber Russland zweimal die Möglichkeit für eine Olympia-Revanche besteht. Im Anschluss daran tritt die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes e.V. (DEB) vier Mal in Folge vor eigenem Publikum an: In Weißwasser (14. April) und Dresden (15. April) gegen die Slowakei sowie eine Woche später gegen Frankreich in Wolfsburg (19.4.) und Berlin (21.4.). Am Ende der Vorbereitung reist die Nationalmannschaft dann noch für zwei Vergleiche nach Dänemark.

Wie der Bundestrainer die vergangenen Wochen erlebte, wie die Pläne für die Zukunft lauten und wie das deutsche Eishockey nachhaltig vom Erfolg bei den Olympischen Spielen profitieren kann, darüber hat sich der 39-Jährige so seine Gedanken gemacht.


Marco Sturm über … 

 

… die Tage und Wochen nach dem Gewinn der Silbermedaille …

Es war der Wahnsinn, wie viele Menschen mich angesprochen haben und es immer noch tun. Die Gratulationen nahmen kein Ende. So langsam normalisiert es sich wieder. Aber bisher ist kein Tag vergangen, an dem die Silbermedaille kein Thema war. Ich freue mich immer noch über jeglichen Glückwunsch. Das wird vermutlich auch so bleiben.

… den Medienrummel um sich selbst und die Mannschaft …

Eigentlich wollte ich nach den Olympischen Spielen mal ein paar Tage abschalten und runterkommen. Das war gar nicht möglich. Aber trotz des Stresses habe ich das gern gemacht und versucht, alle Termine und Interviewanfragen wahrzunehmen. Immerhin konnte ich zuletzt etwas ruhigere Tage mit der Familie verbringen.

Für die Mannschaft war es fast genauso. Nur mit dem großen Unterschied, dass die Jungs ja alle sofort in den Spielbetrieb wechseln mussten. Ich glaube, die Spieler müssen ihre Medaillen noch immer jeden Tag irgendwo mit hinnehmen, um sie zu zeigen (lacht).

… die Bedeutung des Olympischen Silbers für das deutsche Eishockey …

Das ist der wichtigste Punkt: 25 Jungs haben jetzt eine olympische Medaille in den Händen und eine Sensation geschafft. Wir müssen nun darauf hinarbeiten, diesen Erfolg als Basis für die Nachwuchsarbeit zu nutzen. Wir müssen Kinder und deren Eltern für unseren tollen Sport begeistern, müssen die Strukturen schaffen, dass wir den Nachwuchs ans Eishockey binden. Wir brauchen Fachkräfte wie qualifizierte Trainer, die den Nachwuchs ausbilden. Wir benötigen vor allen Dingen Eiszeiten. Mit dem Konzept POWERPLAY 26 haben wir uns selber eine große Herausforderung gestellt. Aber eben auch eine, die zu schaffen ist. Die großen Nationen werden uns zwar auch zukünftig in den meisten Fällen überlegen sein, das ist ja ganz normal, aber wir wollen eines Tages zumindest nah an ihnen dran sein.

… die gestiegene Erwartungshaltung der Öffentlichkeit …

Natürlich wird die Nationalmannschaft jetzt ganz anders wahrgenommen und darüber freuen wir uns. Trotz aller Euphorie dürfen wir aber nicht vergessen, dass der Erfolg von Pyeongchang nicht automatisch bedeutet, dass wir ab sofort bei einer WM oder einem anderen Turnier zu den Favoriten zählen. Für uns geht es auch in Dänemark zunächst darum, unseren aktuellen Weltranglistenplatz zu verteidigen bzw. uns zu stabilisieren. Das wird schwer genug. Schließlich nimmt uns kein Gegner mehr auf die leichte Schulter. Uns weht jetzt ein anderer Wind entgegen.

… die anstehende Euro Hockey Challenge …

In Sotschi gegen Russland geht es gleich mit dem stärksten Gegner los. Da müssen wir sofort auf Betriebstemperatur sein. Besonders freuen mich die Auftritte vor den eigenen Fans in Weißwasser und Dresden gegen die Slowakei und dann in Wolfsburg und Berlin gegen Frankreich. Die Slowaken haben nicht zuletzt bei den Olympischen Spielen oder auch beim Deutschland Cup in Augbsurg gezeigt, dass sie zu jeder Zeit eine starke Mannschaft zusammen haben können. Da werden wir bereit sein müssen. Frankreich hat sich in den vergangenen Jahren sehr gut entwickelt. Fast alle Spieler der Franzosen sind in den großen Ligen Europas unterwegs.

… den Kader für die Euro Hockey Challenge …

Klar ist, dass wir aufgrund der Playoffs oder Verletzungen mit einem anderen Team starten werden. Es ist wieder eine neue Herausforderung. Ich werde aber sicher wieder dem einen oder anderen eine Chance geben, sich zu zeigen. Als Trainer muss man immer auch das große Ganze im Blick haben. Wir wollen die Euro Hockey Challenge nutzen, um die Spieler noch mehr ans internationale Niveau zu gewöhnen. Es geht darum, einige Dinge auszuprobieren. Natürlich möchten wir am liebsten alle kommenden Spiele gewinnen, aber die reinen Ergebnisse sind in der Vorbereitung erstmal zweitrangig.