Er war dreimal als Spieler bei Olympischen Winterspielen, in Pyeongchang 2018 hat er als Bundestrainer die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft bis zur Silbermedaille geführt. Im Interview spricht Marco Sturm über seine Olympia-Erinnerungen, die emotionalen Momente bei Olympia 2018 in Pyeongchang – und über Kratzer auf seiner Silbermedaille.
Marco, wenn du an Olympia 2018 zurückdenkst, welcher Moment kommt dir als erstes ins Gedächtnis?
Marco Sturm: Ich denke an Freude und Spaß und habe Gänsehaut. Was in diesen zwei Wochen – irgendwie aus dem Nichts – passiert ist, das hätten wir uns so nicht träumen können. Dass wir am Ende wirklich ins Finale kommen und mit Silber heimfahren. Möglich war das nur durch die unfassbar enge Kameradschaft innerhalb der Mannschaft, die im Turnierverlauf immer intensiver wurde. Das haben auch wir Trainer gemerkt. Wir waren in Pyeongchang wirklich eine Mannschaft, die sehr eng zusammengehalten hat. Und klar hatten wir auch ein bisschen Glück, aber das gehört auch dazu.
Was glaubst du war der Schlüssel, dass ihr es bis ins Olympia-Finale geschafft habt?
Marco Sturm: Da gibt es mehrere Gründe. Wir waren eine Mannschaft. Jeder hat für jeden gekämpft, egal ob er fünf Minuten gespielt hat oder 20 Minuten. Kein Spieler war sich zu schade, eine Scheibe zu blocken. Jeder hat alles gegeben. Wir waren eine geschlossene Einheit. Wir hatten auch sehr gute Leader, erfahrene Spieler, die das Kommando auf dem Eis übernommen haben und die notwendige Ruhe in brenzligen Situationen ausgestrahlt haben. Und wir hatten gute Torhüter. Egal wer im Tor war, wir hatten das ganze Turnier über eine sehr, sehr gute Torwartleistung. Wenn die Torwartleistung so gut ist, dann hat man jedes Spiel die Chance es auch wirklich zu gewinnen.
In den ersten Olympia-Tagen hast du den Spielern recht viel Freizeit gelassen …
Marco Sturm: Ja, und ich glaube, es war auch entscheidend für unseren Erfolg, dass die Jungs das Olympia-Leben voll mitbekommen haben. Für viele Spieler waren es die ersten Olympischen Spiele. Ich wollte, dass jeder das Olympia-Feeling mitnimmt. Deswegen hatte ich damals auch kein Vorbereitungsspiel in die ersten Tage gelegt. Ich wollte, dass die Spieler die Chance haben, rauszugehen, andere Sportarten und Events zu besuchen. Sie sollten alles mitnehmen, was möglich ist in den ersten drei, vier Tagen. Deswegen waren wir auch als Mannschaft mal gemeinsam unterwegs, zum Beispiel beim Biathlon. Mir war aber auch wichtig, dass sich die ganze Mannschaft danach voll und ganz aufs Eishockey konzentriert. Als es losging, habe ich gesagt – Ok, jetzt voller Fokus aufs Eishockey und wir packen die Herausforderungen gemeinsam an.
Du warst dreimal bei Olympia als Spieler, einmal als Trainer. Wie hast du die Olympischen Spiele in den verschiedenen Rollen erlebt?
Marco Sturm: Ehrlich gesagt war es gar nicht so verschieden. Als Trainer sind die Olympischen Spiele vielleicht noch etwas intensiver, weil man eine größere Verantwortung hat und mehr unter Druck steht. Das war der einzige Unterschied. Aber das ganze Drumherum mit Training, Spielen, anderen Events und dem Dorfleben, das war eigentlich schon ähnlich als Spieler und als Trainer.
Was war dein emotionalster Olympia-Moment?
Marco Sturm: Das war ganz klar Olympia 2018, als wir die Silbermedaille gewonnen haben. So etwas habe ich in meiner ganzen sportlichen Karriere vorher und nachher nie mehr erlebt, weder emotional noch vom Erfolg her. Das war etwas Besonderes, das man kaum toppen kann. Die Mannschaft war etwas richtig Besonderes. Das habe ich als Trainer gemerkt und ich glaube, das haben auch die Fans vorm Fernseher gemerkt. Ich denke aber auch gerne an meine ersten Olympischen Spiele in Nagano (1998) zurück. Die waren zwar sportlich nicht so erfolgreich, aber dafür sehr lustig, mit sehr vielen schönen Erinnerungen und ein tolles Erlebnis, das man nicht vergisst.
Wo ist denn deine Silbermedaille?
Marco Sturm: Die ist daheim in meinem Safe. Manchmal kommt sie raus, aber nicht so oft.
Hast du auch mal in die Medaille gebissen?
Marco Sturm: Ich weiß nicht, ob’s vom Biss war oder von der Party danach, aber man sieht ein paar Kratzer auf der Medaille, die wahrscheinlich bei der einen oder anderen Feier entstanden sind.
Und nach was schmeckt die Medaille eigentlich?
Marco Sturm (lacht): Eigentlich nach nichts. Aber der Geschmack ist einem in so einer Situation auch egal. Hauptsache man hält die Medaille in der Hand und belohnt sich für die Leistung, die man geliefert hat. Das Gefühl, das man dabei hat, ist unbeschreiblich.
Lass uns auf die anstehenden Olympischen Spiele blicken. Noch knapp eine Woche, dann geht’s schon los. Was traust du der Mannschaft zu – immerhin sind elf Olympia-Teilnehmer von 2018 wieder dabei.
Marco Sturm: Ich traue der Mannschaft einiges zu. Es sind viele erfahrene Spieler dabei. Sie wissen, wie toll Olympia sein kann. Sie wissen aber auch, was sie dafür leisten müssen. Diese Spieler haben immer noch Führungsqualitäten in der Mannschaft. Toni Söderholm wird sicherlich die perfekte Mannschaft zusammenstellen, die zusammenhält, die ein gutes Eishockey spielt, die bis zum Schluss fightet und die am Schluss auch sehr erfolgreich sein kann.
Hast du einen Tipp für die jungen Spieler, die das erste Mal dabei sind?
Marco Sturm: Sie sollen jeden Tag genießen, das ist vielleicht eine einmalige Möglichkeit. Wenn das Eishockey losgeht, sollen sie alles geben für die Mannschaft und sich selbst und das Beste rausholen. Bei Olympia ist alles möglich – vor allem auch ohne die NHL-Spieler.
Danke für das Gespräch, Marco!