Frauen-Bundestrainer Thomas Schädler: „Wir wollen dafür sorgen, dass das Frauen-Eishockey noch mehr respektiert und professioneller wird“

Seit Ende Mai amtiert Thomas Schädler als Frauen-Bundestrainer und folgte auf Franziska Busch, die den Posten interimistisch bekleidet hatte, nun aber wieder auf ihrer angestammten Position als Nachwuchs-Frauen-Bundestrainerin zurück ist. Der 53-Jährige hat zum Start in seine neue Tätigkeit gleich eine spannende Herausforderung vor sich. Im August wird die Frauen-Nationalmannschaft bei der aus dem Frühjahr verschobenen WM in Kanada antreten. Nachdem zunächst Halifax und Truro als Austragungsorte vorgesehen waren, ist nun Calgary vom 20. bis 31. August der Spielort für die Titelkämpfe. In Interview mit deb-online.de spricht Schädler über seine neue Aufgabe und blickt auf die Wochen bis zur WM voraus.

deb-online.de: „Wie viel positive Energie ziehst du nach den ersten Wochen aus deiner neuen Aufgabe?“

Thomas Schädler (53/Frauen-Bundestrainer): „Ich bin immer noch voller Freude und jetzt nach dem Trockenlehrgang in Frankfurt und den organisatorischen Dingen auf dem Eis zu sein, dafür lebt man als Trainer und das Zuckerl sind dann die Spiele.“

deb-online.de: „Welche Eindrücke hast du bei dem fünftägigen Lehrgang in Füssen gewonnen?“

Schädler: „Ich habe durchaus positive Eindrücke. Wir haben hier lange Einheiten absolviert, das weiß ich, aber es ist auch ein langer Weg. Wir haben es wirklich wie eine Art Trainingslager genutzt und wir haben auch die Schwerpunkte entsprechend vielfältig gelegt: Offensive, Defensive, Forecheck, Aufbau, wir sind alle Punkte durchgegangen. Wir lösen viel auch über spielerische Trainingsformen. Es ist einiges zu tun, die Mädels haben sehr gut mitgezogen, sodass ich ein sehr positives Fazit ziehen kann. Meine Vorstellungen weichen auch nicht wesentlich ab von denen, die Franziska Busch hatte oder die der Christian Künast hatte, aber es ist einfach so, dass man Basissachen legt und daran anschließen kann.“

deb-online.de: „Als welchen Typ Coach würdest du dich sehen?“

Schädler: „Ich habe mich mit der Zeit auf jeden Fall gewandelt, seit ich als Trainer begonnen habe. Der autoritäre Umgang von früher – es funktioniert heute ohnehin nicht mehr, wenn man so einen Stil durchzieht. Ich bin auch kein Lautsprecher, aber natürlich muss die Kommunikation mit den Mädels da sein und auch mit dem Staff. Ich bin auch bereit für Vorschläge und dass man darüber diskutiert und Sachen auch mal ändern kann. Der Spielstil sollte schon das sein, was ich mir vorstelle, aber das ist keine Gerade, da kann man rechts und links ein bisschen abweichen. Die grundlegende Richtung muss einfach stimmen.“

deb-online.de: „Sind denn große Anpassungen beim Coaching notwendig, wenn man aus dem Nachwuchsbereich kommt?“

Schädler: „Es gibt beim Thema Video schon auch mal eine Art Frontalunterricht, aber generell passiert viel im Dialog. Bei der U16 war es so, dass die Spieler das erste Mal in den DEB-Bereich kommen, da arbeitet man an Basisdingen, denn das Endprodukt ist dann die Nationalmannschaft bei Toni Söderholm. Bei den Frauen ist schon viel vorhanden, klar muss man Dinge auch nachschleifen oder nachjustieren, aber bei den Erwachsenen ist die Kommunikation besonders wichtig, denn sie haben schon Erfahrung. Bei den Jungs ist es ein Riesenunterschied, wenn sie dann das erste Mal gegen die Slowakei oder Finnland oder die Schweiz spielen, da beginnen sie gerade, ihre Erfahrungen zu sammeln.“

deb-online.de: „Ist es kompliziert, eine WM aus dem Sommertraining heraus anzugehen?“

Schädler: „Ich habe zwar keinen Vergleich, aber im Frühjahr ist schon recht viel erledigt worden, da waren die gleichen Spielerinnen dabei, es ändert sich nicht großartig viel. Der Unterschied ist, dass sie sonst aus der Saison herauskommen und in die WM gehen. Aber da geht es den anderen Nationen auch so, sie werden auch keine Erfahrungen haben. Und ich gehe davon aus, dass es wichtig wird, diese Erfahrung zu sammeln, weil es nächste Jahr wahrscheinlich genauso sein wird und ich denke, dass im September von der IIHF beschlossen wird, dass im August 2022 wieder eine WM stattfindet. Dann haben wir diesmal eine Art Generalprobe.“

deb-online.de: „Wie viel lässt sich an Erfahrungen aus dem Frühjahr hinüberretten in diese WM-Vorbereitung?“

Schädler: „Die ganzen Abläufe mit der Bubble sind natürlich noch präsent und auch wenn es schwierig ist, wenn um uns herum Lockerungen erfolgen, wir müssen unsere Hygienekonzepte einhalten. Wir wollen keinen Ausbruch haben, dann müssten wir Maßnahmen absagen und die Betroffenen könnten nicht zur WM fahren. Vom Taktischen und Spielerischen ging zwar manches verloren, aber wir fangen nicht bei null an, das ist schon mal gut. Es ist mir wichtig, dass wir gut trainieren und wir haben im Juli nochmal zehn Tage, da kann man taktisch auch einiges machen, dass wir gut für den August vorbereitet sind.“ 

deb-online.de: „Was wisst ihr bereits über die Organisation des WM-Turniers? Wie ist der Stand eurer Planungen?“

Schädler: „Ein Testspiel wird es vor Ort in Calgary geben und mehr tut sich wahrscheinlich auch nicht. Jede Nation hat eine unterschiedliche Planung und auch mit der Bubble vor dem Turnier ist es nicht zu stemmen, noch ein zusätzliches Spiel zu organisieren. Wir haben die Information, dass es momentan fünf Tage in Quarantäne wären vor Ort, bei uns in Füssen bleibt es in dieser Woche vor dem Abflug bei drei PCR-Tests und drüben wird man auch nochmal am fünften Tag getestet, bevor man raus darf. Und dann wird es auch dabei bleiben, dass wir zwischen Hotel und Eishalle pendeln und nicht raus dürfen. Sonst sind schon noch Fragen offen. Wir haben zum Beispiel noch keine genauen Angaben, wie viele Spielerinnen wir mitnehmen dürfen.“

deb-online.de: „Muss man das Thema Kaderzusammenstellung auch anders angehen, weil die Spieleindrücke fehlen, die man sonst in der Saison sammelt?“

Schädler: „Ich habe mir von Christian und von Franzi die Rückmeldungen geholt, die kennen die Spielerinnen auch und so hat man Erfahrungen für die Auswahl. Die Eindrücke aus der Saison fehlen, das ist eben diesmal nicht der Fall, da stammt der letzte Eindruck vom April, bevor die WM-Verschiebung kam. Andererseits tut sich auch über den Sommer etwas und es ist leider auch schon klar, dass drei Spielerinnen nicht bei der WM sein werden, da ändert sich ohnehin schon etwas am Kader. Es sind die Franziska Feldmeier und die Celina Haider, die beide beruflich verhindert sind – und die Daria Gleißner hat eine Herzmuskelentzündung und muss drei Monate pausieren. Das ist wirklich bitter für sie und schmerzt auch uns.“

deb-online.de: „Wie kompensiert ihr gerade den Ausfall einer solchen Führungsspielerin?“

Schädler: „Wir wollen sowieso das Team stärken und klar haben wir die Führungsspielerinnen, die alles zusammenhalten. Aber es muss sich jede einbringen und da gibt es unterschiedliche Charaktere und wir schauen, welche Rolle wie zu jemandem passt. Aber das läuft gut, die Mädels sind da selbst gut organisiert. Das ist eine sehr gute Gruppe und ich muss sagen, dass auch die Stimmung sehr gut ist, auch wenn das Training anstrengend war.“

deb-online.de: „Welche übergeordneten Ziele gibt es für dich mit der Frauen-Nationalmannschaft?“

Schädler: „Sportlich wird sich gegenüber dem Frühjahr nichts ändern, wir wollen ins WM-Viertelfinale. Dann wollen wir uns für Olympia qualifizieren, auch das ist klar. Dann wird wahrscheinlich ein großer Umbruch kommen nach dieser Saison und da gilt es auch junge Spielerinnen zu finden, die die Lücken auffüllen können. Dann werden wir auch sehen, wie man strukturell weiterarbeiten kann, in der Liga, in der Ausbildung, bei der Bundeswehr. Wir wollen insgesamt dafür sorgen, dass das Frauen-Eishockey noch mehr respektiert und professioneller wird. Es ist zwar schwierig, weil vergleichsweise wenig Geld drinsteckt, aber wir arbeiten mit den Landesverbänden zusammen und versuchen zum Beispiel, dass die Mädels im Nachwuchsbereich genauso wie die Jungs behandelt werden.“

deb-online.de: „Wie wichtig wird insbesondere die kommende Saison für das deutsche Frauen-Eishockey?“

Schädler: „Jede Saison ist natürlich wichtig und der sportliche Erfolg zählt, noch dazu mit so vielen Höhepunkten wie diesmal. Womöglich haben wir vier Großereignisse in den nächsten zwölf Monaten mit der WM, der Olympia-Quali, dann hoffentlich Olympia und wieder einer WM, das war noch nie so, das haben wir noch nie erlebt in der Form. Trotzdem sind die anderen Spielzeiten genauso wichtig. Wir müssen immer weiterarbeiten und schauen, dass wir die nächste Julia Zorn oder die nächste Andrea Lanzl oder die nächste Tanja Eisenschmid finden, so wie es bei den Männern einen Tim Stützle, einen Lukas Reichel, einen JJ Peterka, einen Moritz Seider gibt. Wir haben schon gute Ansätze und einige im Blickfeld, die müssen wir dann auch entsprechend fördern.“