Nicht nur der anstehende Draft von Stützle, Reichel und Peterka gibt Anlass zur Hoffnung
von Stefan Herget @NHLde / NHL.com/de
Er selbst wurde im NHL Draft 2019 früh von den Detroit Red Wings an insgesamt sechster Stelle ausgewählt und damit zur Überraschung des Events im vergangen Jahr in der Rogers Arena in Vancouver. Verteidiger Moritz Seider vom AHL-Farmteam Grand Rapids Griffins kennt daher das Gefühl, wie es ist, wenn der eigene Name vor einem riesigen Publikum von einem NHL-Team genannt wird, die Kameras auf einen gerichtet sind und Commissioner Gary Bettman auf dem Podium mit „Willkommen in der NHL“ grüßt – gefolgt von unzähligen Presseterminen.
Diesen ganz besonderen Moment wünscht Seider auch seinem Freund Tim Stützle, der vom NHL Central Scouting auf der endgültigen Liste für den NHL Draft 2020 an Nummer eins bei den internationalen Feldspielern geführt wird.
„Der Timmy und ich, wir schreiben uns eigentlich jeden Tag“, erzählt Seider. „Es ist einfach unglaublich und wäre eine unheimliche Enttäuschung, wenn der NHL Draft in diesem Jahr anders ablaufen sollte und nicht, wie man das kennt, mit einem riesengroßen Event. Das wäre unheimlich schade, weil es so eine Möglichkeit nur einmal im Leben gibt. Aber nichtsdestotrotz hat der Timmy bis hierher einen unheimlich tollen Weg hingelegt. Ich denke, das ist unbestritten.“
Der ursprünglich für den 26. und 27. Juni 2020 in Montreal angesetzte NHL Draft 2020 ist aufgrund der Spielpause in der NHL wegen der Coronavirus-Pandemie vorerst auf unbestimmte Zeit verschoben worden. Zuerst muss die Entscheidung darüber fallen, wie es mit dem Spielbetrieb weitergehen wird. Der Kanadier Alex Lafrenière gilt als Nummer eins der Liste der nordamerikanischen Feldspieler als der Top-Kandidat für den insgesamt ersten Zug. Doch Seider sieht beste Chancen für Stützle, womöglich wie er selbst im Vorjahr für eine Überraschung zu sorgen.
„Mal schauen, was daraus wird“, sagt er gespannt. „Ich denke, die Zwei wird auf jeden Fall drin sein, wenn er nicht sogar den Lafrenière etwas ärgern kann. Das wäre natürlich eine Überraschung, aber das hat sich der Timmy hart erarbeitet und das gönnt man ihm auch vom ganzen Herzen.“
Der beste bisher gezogene Deutsche war beim NHL Draft 2014 Leon Draisaitl, den die Edmonton Oilers an dritter Position auswählten. Im NHL Draft 2017 wurde der Schweizer Nico Hischier von den New Jersey Devils zum ersten deutschsprachigen Spieler gekürt, der an Nummer eins gezogen wurde.
Stützle könnte nicht nur in den Top-3 auftauchen, sondern wie Seider in Detroit landen. Nachdem die Red Wings in dieser NHL-Saison mit nur 39 Punkten abgeschlagen den letzten Platz einnehmen, haben sie die besten Chancen in der Lotterie einen der ersten drei Züge für den Draft zu ergattern.
„Wir haben schon darüber gelegentlich philosophiert“, gesteht Seider. „Wir sehen das derzeit noch als Spaß an, aber es ist im Bereich des Möglichen. Aber am Ende ist es ganz egal, wo er landet. Für mich würde es natürlich eine große Freude sein. So ein Spieler in unserer Organisation wäre eine große Bereicherung. Es wäre ein Traum, der da in Erfüllung gehen könnte, wenn wir beide in Detroit zusammen spielen könnten.“
Neben Stützle sind die Stürmer John-Jason Peterka vom EHC Red Bull München auf dem siebten Platz und Lukas Reichel von den Eisbären Berlin auf dem elften Platz der internationalen Feldspieler Kandidaten für die erste Draft-Runde. Gute Aussichten für das deutsche Eishockey, denn zwei, geschweige denn drei deutsche Spieler unter den besten 31 Nachwuchsspielern eines Jahrgangs, das hat es noch nie zuvor gegeben.
„Ich denke man sieht, dass das deutsche Eishockey in den letzten Jahren die richtigen Schritte gemacht hat“, betont Seider. „Das dauert bis es richtig Früchte tragen kann. Wir sehen, dass immer mehr Spieler in der AHL oder im kanadischen Juniorenbereich Fuß fassen. Andere bekommen Spielzeit in der DEL. Dieses Jahr ist ein ganz interessanter Draft mit drei Spielern, die in der DEL gespielt haben und zeigen, dass es auch möglich ist, sich in Deutschland auf die beste Liga der Welt vorzubereiten. Von daher bin ich gespannt, was da noch alles dazukommen wird. Es sind noch viele Jungs in den Startlöchern und warten nur auf ihren Einsatz.“
Positiv sollte diese Entwicklung auch für die deutsche Nationalmannschaft sein. Der Deutsche Eishockey-Bund (DEB) hat sich mit seinem Projekt Powerplay 2026 zum Ziel gesetzt, ab diesem Zeitpunkt bei internationalen Wettbewerben regelmäßig um Medaillen mitzuspielen. Was vor Jahren bei der Vorstellung noch etwas belächelt wurde, scheint immer mehr zur Realität zu werden.
„Ich denke man hat bei der U20-WM gesehen, dass es mit ein bisschen mehr Glück vielleicht noch ganz anders gelaufen wäre“, erinnert sich Seider, dass nach einem Sieg über Gastgeber Tschechien nur knapp der Einzug ins Viertelfinale verpasst wurde. „Die Jungs spielen alle professionelles Eishockey und auch in ausgedehnteren Rollen. Das ist natürlich wichtig. Ich freue mich riesig darauf, die Jungs alle irgendwann in der Nationalmannschaft wiederzusehen und vor allem, mit ihnen anzugreifen. Wir werden es einigen der großen Nationen dann verdammt schwer machen und zur Top-Qualität für Deutschland zurückkommen.“
Doch sind es jetzt nicht nur goldene Jahrgänge und bleibt der Schub mit Talenten auch nachhaltig? Seider zeigt sich optimistisch, dass das deutsche Eishockey weiter zulegen wird.
„Ich glaube, wenn man einfach alles anschaut, dann fällt einem auf, wie stark unser Nachwuchs werden kann oder schon ist“, verdeutlicht er. „Wir sind mit der U18 wieder in die Top-Riege aufgestiegen, haben mit der U20 den Klassenerhalt geschafft. Das sind Riesenschritte, die die Qualität der Talente für die nächsten Jahre zeigt. Einige haben in der DEL schon Fuß gefasst, wenngleich Tim, JJ oder Lukie die bekanntesten Beispiele sind. Aber auch andere waren fast alle Saisonspiele dabei. Von daher werden da entsprechende Spieler heranwachsen und wir uns im internationalen Bereich wieder breit aufstellen können.“
Einer, der ebenfalls zur Riege der Hoffnungsträger gehört, ist Verteidiger Leon Gawanke, der bei den Winnipeg Jets unter Vertrag steht und sein erstes Jahr im AHL-Farmteam der Manitoba Moose mit Bravour absolvierte. Gawanke formulierte im Februar im Gespräch mit NHL.com/de eine deutliche Kampfansage, die auch das Selbstbewusstsein der neuen deutschen Eishockey-Generation deutlich macht. „Es ist toll, dass immer mehr junge Leute hierüberkommen“, sagte er. „Ich hoffe schwer, dass wir dann bei Weltmeisterschaften oder Olympia die Medaillen Gold, Silber oder Bronze gemeinsam angreifen können. Das ist natürlich das Ziel.“