Seit etwas mehr als einem Jahr ist Jeff MacLeod Bundestrainer der Frauen-Nationalmannschaft. Beim ersten großen internationalen WM-Turnier unter seiner Regie verpasste die DEB-Auswahl denkbar knapp den Halbfinal-Einzug und landete am Ende auf einem starken sechsten Platz. Im Interview spricht der 53-Jährige über die bevorstehende Saison, die kommenden Herausforderungen für sein Team und die Entwicklungen im Frauen-Eishockey.
Jeff, danke für deine Zeit. Bevor wir in die Eishockey-Themen einsteigen: Wie hast du den Sommer verbracht?
Jeff MacLeod: „Nach den Weltmeisterschaften habe ich einige Zeit in Kanada in Halifax verbracht. Mein Sohn hat diesen Sommer geheiratet. Daher kamen die Familie und viele Freunde zusammen, die ich nicht allzu oft sehe. Was die Vorbereitungen auf die neue Saison angeht, haben wir die zurückliegende WM evaluiert. Dinge, die wir ändern wollten, können wir jetzt zur ersten Team-Maßnahme im August umsetzen. Zudem standen einige Trainingscamps bei der Bundeswehr an, die gemeinsam mit Jennifer Harss absolviert wurden. Da waren bereits jeweils zwölf bis fünfzehn Spielerinnern dabei, was für uns eine sehr positive Zahl ist – insbesondere in Bezug auf unsere Fitness und Athletik, die wir weiter verbessern wollen. Wir achten auch darauf, dass die Spielerinnen, die bei diesen Camps nicht dabei sein konnten, die Trainings-Pläne fokussiert angehen.“
Nun steht die erste gemeinsame Team-Maßnahme der gesamten Mannschaft auf der Agenda. Wie geht ihr diese erste Saison-Zusammenkunft an?
Jeff MacLeod: „Es ist eine wichtige Maßnahme für uns. Wir alle freuen uns darauf, weil die Saison erneut einige große Highlights mit sich bringt. Wir werden sicher die Herangehensweise an die kleinen Dinge und Team-Prozesse besprechen und die Grundlagen festigen, damit wir zur richtigen Zeit in unserer besten Verfassung sind.“
Sprechen wir nochmal kurz über die vergangene WM: In der Wahrnehmung ist ein äußert positiver Eindruck zum Turnierverlauf und der Spielweise der Mannschaft erhalten geblieben. Siehst du das ähnlich und was sind die Dinge, die noch zu verbessern sind neben dem Thema Fitness?
Jeff MacLeod: „Nach dem Ende der WM waren wir alle etwas down, weil wir die Chance hatten, unsere letzten beiden Turnierspiele zu gewinnen und in den A-Pool der Teams einzuziehen. Wir beschäftigen uns weiter mit der mentalen Arbeit und betonen immer wieder den Glauben an uns selbst: Wenn du erstmal so weit kommst, kannst du auch so ein entscheidendes Spiel gegen Top-Gegner wie Tschechien gewinnen. Wir sind gut und spielen mittlerweile nicht nur gegen die Teams, die weiter unten stehen in der Weltrangliste. Wir haben weite Bereiche unseres Spiels verbessert, kommunizieren als Team ganz hervorragend und haben uns damit Respekt erarbeitet. Es gibt viele positive Dinge, auf die wir bauen können. Deshalb haben wir als Team und Staff erkannt, dass es noch ein wenig mehr von allen Beteiligten braucht, um den nächsten Schritt zu gehen. An diesem Punkt werden wir in dieser Saison weiterarbeiten.“
Welche Bedeutung hat der Glaube an sich selbst aus deiner Sicht in der Arbeit mit der Frauen-Nationalmannschaft? Auch aus dem Männer-Team ist immer wieder zu hören, dass sich die grundlegende Herangehensweise geändert hat durch die mentale Einstellung.
Jeff MacLeod: „Wenn du nicht an dich und die Fähigkeiten deines Teams glaubst, wirst du nicht viel erreichen. Es ist ein Unterschied, ob du mal einen weniger guten Tag hast und deine Mannschaft das auffängt. Der grundsätzliche Glaube an uns als Mannschaft ist für Spielerinnen und Staff eine wesentliche Grundeinstellung. Es ist ein positives Gefühl und geht mit harter Arbeit einher, die zu guten Resultaten führen wird. Es ist ein wichtiger Faktor in unserer Arbeit mit der Mannschaft. Wir sehen, dass einige junge Spielerinnen mit großem Vertrauen und positiver Einstellung zu uns kommen. Das ist ein absolut positives Zeichen, dass die Entwicklung in die richtige Richtung geht.“
Neben der WM und dem Deutschland Cup in Landshut steht für das Frauen-Team das Olympia-Qualifikationsturnier im kommenden Februar 2025 auf der Agenda. Inwieweit ist dies Einfluss auf die Arbeit mit der Mannschaft?
Jeff MacLeod: „Die Olympia-Qualifikation im Februar ist das erste, wichtige Großereignis für uns. Erst dann folgt die WM. Das heißt, unser Zeitplan ändert sich, was die Vorbereitungen angeht. Das wird sich bereits in unserer ersten Team-Maßnahme jetzt im August widerspiegeln.“
Wie werden die beiden Großereignisse bereits jetzt im August thematisiert?
Jeff MacLeod: „Unser Plan ist, für die nächsten zwei Jahre optimal aufgestellt zu sein. Wir wollen besser werden, die großen Spiele gegen die starken Nationen gewinnen und weiterkommen. Dafür trainieren wir – egal ob als Team oder individuell. Beim Zusammentreffen im August werden wir unseren Plan im ersten Team-Meeting vorstellen und mit der Mannschaft besprechen. Damit ist unsere Herangehensweise geklärt und die Detailarbeit beginnt, ohne dass wir die Bedeutung des Turniers im Februar ständig hervorheben werden. Alles, was von außen an Aufmerksamkeit und Druck kommt, werden wir positiv aufnehmen und als Zeichen werten, in die richtige Richtung zu arbeiten.“
Ein wichtiger Baustein der Vorbereitung ist der Deutschland Cup in Landshut, der auch in dieser Saison wieder als paralleles Turnier mit den Männern ausgetragen wird. Was kann der Deutschland Cup aus deiner Sicht für das Frauen-Team bewirken?
Jeff MacLeod: „Im vergangenen Jahr waren unsere Resultate auf dem Eis nicht optimal. Dennoch hat uns das Turnier so viel mitgegeben. Allein schon der Fakt, vor so vielen Zuschauern zu spielen und viele nationale und internationale Medien vor Ort zu haben, hat etwas mit dem Druck auf uns als Team gemacht. Das ist gut so, das wollen wir als professionelle Athleten. Wir haben unsere Erfahrungen aus der ersten Austragung mitgenommen und sind in unserer Entwicklung für das kommende Turnier weiter. Für die erfahrenen Spielerinnen wird das zweite Jahr jetzt viel Bekanntes bringen, was gut für die Umsetzung ist. Für unsere jungen Spielerinnen wird es die Chance sein, sich vor einer großen Kulisse zu zeigen.“
Teil deiner Arbeit ist auch, die Spiele in der DFEL zu beobachten und die Entwicklungen in der Liga zu begleiten. Mit Budapest kommt ein potenziell starker Gegner für die fünf deutschen Teams hinzu. Wie blickst du auf die kommende DFEL-Saison voraus?
Jeff MacLeod: „Wir haben viele Nationalspielerinnen in der Liga. Also ist unser erstes Interesse, dass sie sich einem starken Wettbewerb, einem technischen hochwertigen Eishockey mit gutem Coaching befinden. Davon profitieren wir als Nationalmannschaft bei den Maßnahmen. Der DEB hat auch durch die Personalie Ronja Jenike, die als Development Coach aktiv ist, viel bewirkt und die Entwicklung geht in die richtige Richtung. Es gab zudem ein paar Kader-Veränderungen in den Mannschaften, die zu einer größeren Ausgeglichenheit führen können. Ronja und ich stehen den Teams und Spielerinnen zur Seite, vor Ort bei den Besuchen und auch während der weiteren Zeit.“
Du hast gerade die Rolle von Ronja Jenike erwähnt, die im Rahmen ihrer Aufgabe beim DEB die Entwicklung im Frauen-Eishockey vorantreiben wird. Wie eng ist eure Zusammenarbeit?
Jeff MacLeod: „Wir haben eine gute Verbindung zueinander und tauschen uns ständig aus. Als Bindeglied zu vielen Ansprechpartnern wird ihr Input für mich wertvoll sein. Bei uns im Team hat sie eine starke Rolle eingenommen, sie hat sich für den Coaching Staff und die Spielerinnen jederzeit voll eingebracht hat. Ronja ist eine positive Person, die viele Ideen mitbringt und damit einiges in ihrer Rolle bewegen wird.“
Zum Abschluss wollen wir nochmal über den großen Teich zur PWHL blicken, der ersten professionellen Fraueneishockey-Liga in Nordamerika, die die erste Saison hinter sich gebracht hat. Wie bewertest du die Arbeit der Liga und was macht es mit dem Frauen-Eishockey?
Jeff MacLeod: „Sie haben einen guten Start hingelegt mit den ersten sechs Teams, die an den Start gegangen sind und es ist ein gewisser Hype entstanden. Interessant wird sein, wie sich die Liga in den kommenden Jahren weiterentwickelt und welche Teams neu hinzukommen – und auch wann. Denn ist gibt eine Menge Spielerinnen, die verfügbar sind und in der Liga spielen wollen. Es wird auch interessant sein, wie sich die Teams als heimische Marken in ihren Umfeldern platzieren und etablieren. Das Community-Building ist ein wichtiger Teil, der über den Erfolg der Liga entscheiden wird. Es gibt eine Menge Potenzial und einige offene Fragen.“