Mit Leidenschaft, Löwenherz und dem entscheidenden Penalty ins Medaillenrennen: Die deutsche Eishockey-Nationalmannschaft hat bei der IIHF-Weltmeisterschaft 2021 nach einem faszinierenden Schlagabtausch mit der Schweiz das Halbfinale erreicht. Die Mannschaft von Bundestrainer Toni Söderholm besiegte den Dauerrivalen aus dem Nachbarland in einem dramatischen Duell mit 3:2 n. P. (0:1, 1:1, 1:0, 0:0, 1:0) und schaffte erstmals seit der Heim-WM 2010 wieder den Sprung in die Runde der letzten Vier. Im Olympic Sports Centre Riga erzielten Leon Gawanke, Tom Kühnhackl und Marcel Noebels die Tore für die deutsche Mannschaft, die auch vor elf Jahren im letzten erfolgreichen Viertelfinale die Schweizer geschlagen hatte – damals mit 1:0 in Mannheim.
Im DEB-Tor kam Mathias Niederberger zu seinem sechsten Starteinsatz bei diesem Turnier. Toni Söderholm behielt zudem die Kombination aus 13 Stürmern und sieben Verteidigern bei, mit der das DEB-Team beim 2:1 gegen Lettland aufgelaufen war. Personell gab es dabei keine Veränderungen, auch der bisherige deutsche Top-Scorer Marcel Noebels war einsatzfähig und spielte wie gewohnt an der Seite von Lukas Reichel und Leonhard Pföderl.
Beide Teams gingen wie erwartet mit hohem Tempo und viel Einsatz in das Viertelfinale. Den besseren Start erwischte die DEB-Auswahl, die mit gefährlichen Schüssen von der blauen Linie und viel Zug zum Tor den Schweizer Torhüter Leonardo Genoni zu ersten Paraden zwang. Die Eidgenossen zeigten sich vor allem bei schnell vorgetragenen Kontern gefährlich. Als sich die Schweizer das erste Mal so richtig im Angriffsdrittel festsetzen konnte, traf der freigespielte Ramon Untersander (16.) ins kurze Eck zu Führung nach einem insgesamt ausgeglichenen ersten Spielabschnitt.
Zu Beginn des zweiten Drittels hatten die Schweizer zunächst mehr Spielanteile und hatten die große Chance, bei einer doppelten Überzahl den nächsten Treffer zu erzielen. Doch wie so oft in dem Turnier lieferte die DEB-Auswahl ein tadelloses Penalty Killing ab. In der Folge kam das Team von Bundestrainer Toni Söderholm wieder besser ins Spiel, musste nach einem Konter jedoch das zweite Gegentor durch Fabrice Herzog (34.) hinnehmen. Auf der Gegenseite war es schließlich Tom Kühnhackl (38.), der im Nachsetzen den wichtigen Anschlusstreffer noch vor der zweiten Pause erzielte.
Im Schlussabschnitt kam die DEB-Auswahl entschlossen aus der Kabine und konnte die Leistung nochmal steigern. So nahm der Druck auf Genoni zu, Noebels (49.) und Eisenschmid (56.) hatten den Ausgleich auf dem Schläger. Die Belohnung für den großen Kampf kam dann 44 Sekunden vor dem Ende: Mit einem Feldspieler mehr auf dem Eis traf Leon Gawanke (60.) zum umjubelten Ausgleich.
Die darauffolgende Verlängerung wurde endgültig zum Nervenspiel: Pföderl (61.) und Kahun (63.) hatten die besten Chancen in der spannenden zehnminütigen Verlängerung, während Mathias Niederberger zweimal mit überragenden Paraden glänzte und die Chance auf das Halbfinale festhielt.
Im anschließenden Penaltyschießen traf Timo Meier als dritter Penaltyschütze für die Schweiz, doch Dominik Kahun egalisierte umgehend. Mit dem fünften und entscheidenden Penalty traf schließlich Marcel Noebels mit einem spektakulären Move zum Sieg.
Die Auswahl des Deutschen Eishockey-Bundes spielt nun am kommenden Samstag um den Finaleinzug. Die Partie wird nach dem Abstecher ins OSC wieder in der Arena Riga ausgetragen. Der Gegner wird erst nach den heutigen Abendspielen feststehen.
Stimmen zum Spiel:
DEB-Sportdirektor Christian Künast: „Eine unglaubliche Energieleistung der Mannschaft. Wir können stolz sein. Wir waren die bessere Mannschaft und haben dann in der Lotterie Penaltyschießen gewonnen. Unser Weg ist noch nicht zu Ende, wir freuen uns auf das Halbfinale und schauen, was am Ende dabei rauskommt.“
Bundestrainer Toni Söderholm: „Die Mannschaft war sehr ruhig und konzentriert, sie hat sich aus schwierigen Situationen wieder ins Spiel zurückgekämpft. Im dritten Drittel haben wir noch einen Gang gefunden in Sachen Aggressivität und Wille und Power. Das hat uns den Ausgleich ermöglicht, aber ein bisschen Glück man immer. So wie die Jungs gearbeitet haben, haben sie es voll verdient. Die Jungs freuen sich natürlich und haben sich diese tiefe Glücksgefühle verdient. Ich gönne ihnen alles, was sie jetzt bekommen. Die Reise geht noch weiter, zu dieser Geschichte kommen noch Kapitel hinzu, das ist der allgemeine Wille.“
Kapitän Moritz Müller: „Es war natürlich sehr emotional nach dem Spiel. Was eine Mannschaft, was eine Leidenschaft, wir haben den Sieg erzwungen. Ein Schüsselmoment war die Drei-gegen-fünf-Unterzahl-Situation im zweiten Drittel. Und was ein unglaublicher Spielverlauf danach. Der Anschlusstreffer, dann Leon, der uns kurz vor Schluss den Ausgleich besorgt und dann am dieses Penaltyschießen. So etwas passiert nur Mannschaften, die so ein Herz und Willen an den Tag legen.“
Stürmer Tom Kühnhackl: „Es ist ein unglaubliches Gefühl. Mit zwei Toren im Rückstand haben wir versucht, auch die zweite und dritte Chance vor dem Tor zu bekommen. Dass wir am Ende noch den Ausgleich geschossen haben, hat uns wahnsinnigen Auftrieb gegeben. Wir haben eine großartige Moral bewiesen und uns dafür im Penaltyschießen belohnt. Wir haben viel Vertrauen in unser System und sind geduldig geblieben. Das hat sich heute ausgezahlt.“
Stürmer Marcel Noebels: „Ich habe einfach nur den Kopf ausgeschaltet beim Penalty und bin natürlich froh, den entscheidenden Treffer geschossen zu haben. Es war heute wieder nicht einfach für uns, wir sind wieder zurückgekommen und es war einfache eine geile Leistung des gesamten Teams. Ich bin stolz, Teil dieser Mannschaft zu sein und diesen riesigen Schritt im Turnier zu gehen. Das ist ein großer Erfolg für das deutsche Eishockey.“