Für die U18-Nationalmannschaft beginnt in dieser Woche in Füssen die Vorbereitung auf das WM-Turnier in den USA vom 26. April bis zum 6. Mai. U18-Bundestrainer Steffen Ziesche blickt auf die Einstimmungsphase voraus und äußert sich sowohl zu den Schwierigkeiten des Jahrgangs in dieser Saison als auch zu den sportlichen Perspektiven der Mannschaft.
Steffen, für die U18-Nationalmannschaft startet die Vorbereitung auf die WM, auf den Saisonhöhepunkt. Wie schwierig ist in dieser nie dagewesenen, komplizierten Saison mit all den Hindernissen und Unwägbarkeiten die Auswahl des Kaders?
Steffen Ziesche (U18-Bundestrainer): „Es ist nicht einfach, da uns viele Maßnahmen fehlen, wo wir Spieler hätten sehen, wo sich die Spieler hätten präsentieren können. Die Pandemie hat auch verhindert, dass wir die sonst üblichen Turniere haben, wo sich die Spieler auch international hätten zeigen können. Die Situation ist nunmal so, wir können aber ab Phase eins mit einem großen Kader starten – und da kann sich jeder zeigen. In Phase zwei kommen dann die Spieler hinzu, die noch im Spielbetrieb sind, ob in der DEL, der DEL2 oder auch die Jungs von Red Bull, die sich noch in den Play-offs befinden.“
Welche Alternativen hast du dir gesucht, wie hast du dich auf dem Laufenden gehalten?
Ziesche: „Der Kontakt zu Spielern und Vereinen ist generell immer da. In verschiedenen Medien, unter anderem bei Magenta Sport, konnte ich mir die Spieler anschauen, bin manchmal nach Weißwasser gefahren, um Spiele zu sehen. Die Akademie in Salzburg hat auch einen Livestream. Aber es gibt natürlich auch eine ganze Reihe von Jungs, die leider nur im Trainingsprozess waren und diesen wichtigen Wettkampfbetrieb nicht hatten.“
Wie würdest generell die aktuelle Situation in dieser Altersklasse umreißen?
Ziesche: „Ein Großteil der Jungs hat seit November keinen Spielbetrieb und teilweise auch kein Training mit der Mannschaft durch die besagten Regelungen, dass nur die Kadersportler trainieren durften. Dadurch ist an vielen Standorten das Mannschaftstraining weggefallen, das macht es nicht leichter, zumal die anderen Nationen alle deutlich mehr im Spielbetrieb waren. Andere Nationen haben diesen Vorteil, dass sie grundsätzlich noch gespielt und in Mannschaftsstärke trainiert haben. Wenn Fälle da waren, wurde unterbrochen. Wir sind eigentlich die einzige Nation, die seit November keinen Spielbetrieb aufrechterhalten durfte.“
Lässt sich dieser Wettbewerbsnachteil kompensieren in der Vorbereitung oder bleibt eine Hypothek für das Turnier?
Ziesche: „Natürlich geht man mit einer Hypothek rein, denn du kompensierst natürlich nicht die fehlenden Monate an Wettkampferfahrung. Wir können nur schauen, dass wir mit einer geschlossenen Mannschaftsleistung aufwarten und wirklich einer für den anderen einsteht. Der Teamgeist muss bei uns definitiv an erster Stelle stehen.“
Lässt sich einordnen, wo die Mannschaft im Vergleich zur internationalen Konkurrenz steht?
Ziesche: „Es ist schwer zu sagen. Ich denke, wenn alle dabei sein können und gesund bleiben, wird man relativ schnell sehen, wo die Reise hingeht. Hoffentlich haben die beiden Testspiele gegen die Schweiz weiter Bestand. Dann werden wir sehen, wo wir uns bewegen und den ersten Eindruck gewinnen, wie groß der Abstand ist oder nicht.“
Haben die Testspiele aus dem vergangenen Sommer in der Schweiz noch irgendeinen Wert?
Ziesche: „Nein, das ist Vergangenheit, daraus kann man keine Schlüsse mehr ziehen. Das war vor der Saison, wo es auch schon Unterschiede gab im Entwicklungsstand gab durch die verschiedenen Ferienzeiten der Bundesländer. Diese Spiele kann man gar nicht mit reinnehmen.“
Was lässt sich über die Qualität dieses Jahrgangs sagen?
Ziesche: „Ich glaube, dass da ein paar sehr talentierte Jungs dabei sind, wir auch auf der Torhüterposition mit Nikita Quapp gut besetzt sind, der schon in Krefeld in der DEL hält und einen guten Job macht. Das erhoffen wir uns auch für das Turnier. Im Sturm haben wir einige Spieler, die offensiv für Furore sorgen können. Aber unser Hauptaugenmerk wird natürlich auf der Defensive liegen, dass wir auf einer gut gestaffelten, organisierten Defensive agieren. Sicher stehen und dann die Chancen, die sich vorne ergeben, verwerten, wird die Devise sein. Wenn alle gesund bleiben und wir von dem Schicksal, dass die U20 hatte, verschont bleiben, dann ist die Mannschaft nicht so schlecht trotz des Wettbewerbsnachteils.“
Wie ist es einzuschätzen, dass etwa ein halbes Dutzend an Spielern zumindest eine gewisse Erstligaerfahrung mitbringt?
Ziesche: „Es ist schon eine besondere Situation, was zum einen natürlich gut ist, sie spielen DEL. Jetzt muss man aber andererseits direkt hinschauen, wie viel Eiszeit bekommen sie? Sie spielen nicht in den Special Teams, was sie in ihrer Liga tun würden. Aber nichtsdestotrotz ist das Trainingsniveau immens höher, die Herausforderung für die Jungs, sich tagtäglich zu beweisen, ist immens höher. Sie müssen aus ihrer Komfortzone raus, was genau der richtige Weg ist und was die Jungs definitiv auch brauchen, um sich zu entwickeln.“
Wie wird die Vorbereitung strukturiert, welche Schwerpunkte gibt es zu Beginn?
Ziesche: „Wir haben drei Phasen und wollen in der ersten Phase vor allem die Jungs sehen, die nicht so im Fokus waren. Das ist für uns wichtig. Es stehen generell definitiv taktische Sachen im Vordergrund. Wir müssen schauen, dass wir auf dem Eis eine Sprache sprechen, dass die Jungs wissen, was wir spielen wollen und vor allen Dingen, dass dies in den Abläufen automatisiert wird. Da bekommt der Schwerpunkt Taktik einen großen Anteil in der Arbeit, im Trainingsalltag.“
Wie werden die Tage nach der Anreise, was wisst aus den USA derzeit, wie sind die Quarantäneregelungen?
Ziesche: „Wir hoffen, dass wir vor Ort noch ein Testspiel bekommen, wo wir mit dem finalen WM-Kader antreten können und uns den letzten Feinschliff holen. Da sind wir dran, ein Spiel zu organisieren. Stand heute haben wir zwei Tage Quarantäne und werden in diesen beiden Tagen Workouts auf den Zimmern haben, die unser Fitnesscoach übernimmt. Dann können wir hoffentlich aufs Eis und uns an die nordamerikanische Eisfläche anpassen. Deshalb wäre es gut, dass wir unter den Bedingungen mit der kleineren Eisfläche nochmal ein Testspiel haben.“
Es sollen zumindest in der Arena, in der unsere Mannschaft spielt, Zuschauer zugelassen werden.
Ziesche: „Es wäre natürlich unglaublich, wenn da Zuschauer gestattet sind und ich hoffe, dass die Hygienekonzepte dann auch greifen und wir gut durch das Turnier kommen und der Wettbewerb dort nicht von irgendwelchen anderen Geschichten gestört oder tangiert wird. Aber ich glaube, die Organisatoren sind erfahren genug, um so ein Turnier durchzuführen. Sie werden sich schon etwas dabei denken, wenn sie Zuschauer zulassen.“
Wen siehst du als Favoriten?
Ziesche: „Es ist schwer einzuschätzen, aber das sind sicher die üblichen Verdächtigen, die wie immer im Welteishockey um eine Medaille spielen. Die Top-Nationen sind auch die Medaillenanwärter.“
Fotos: City-Press