Tiefs und Hochs gibt es in jeder Karriere – aber wie geht man damit am besten um. Rauf in die NHL, runter in der AHL, rauf aufs Eis und bald danach wieder Tribünengast. Gerade noch Toronto, am nächsten Tag ein Wechsel nach Anaheim. Nationalspieler Korbinian Holzer hat gerade in zehn Jahren Nordamerika gelernt, wie unstet das Leben eines Eishockeyprofis sein kann, wie dicht Freude und Frustration manchmal beisammen liegen können.
In der aktuellen Ausgabe des DEB-Podcasts „Coach the Coach“ teilt Holzer seine Erfahrungen im Gespräch mit Karl Schwarzenbrunner, dem Bundestrainer für Wissenschaft und Ausbildung. Zudem ist Sportpsychologe Dr. Tom Kossak mit dabei, der die Themen aus seiner professionellen Sicht analysiert.
Holzer hat vor Kurzem das Kapitel Nordamerika erst einmal beendet und sich dem russischen Team Awtomobilist Jekaterinburg angeschlossen, bei dem auch Olympia-Silberheld Brooks Macek aktiv ist. Holzer berichtet zunächst über die Gründe für den Wechsel und auch über die kurze Episode bei letzten seiner NHL-Station Nashville Predators, als nach erfolgreichen ersten drei Spielen die Corona-Zwangspause auch die Eingewöhnungszeit abrupt beendete. „Unter diesen Umständen war es schwierig, Kontakte zu knüpfen und sich zu integrieren“, beschreibt Holzer. Kossak pflichtet dem 66-maligem Nationalverteidiger bei: Es sei sowohl für Trainer als auch Spieler schwierig, ohne persönlichen Kontakt einen Teamzusammenhalt herzustellen.
Ein weiterer Punkt für einen Wechsel nach Russland war die noch unklare Situation über den Starttermin der neuen Saison in Nordamerika. „Ich habe Lust, wieder Eishockey zu spielen“, sagt Holzer, der am Nikolaustag für Jekaterinburg beim 0:2 gegen AK Bars Kazan in der KHL debütierte. Die Befürchtung, dass es in Russland Probleme mit der Integration gibt, hat er nicht. „Der Spielbetrieb in der KHL läuft relativ normal“, erklärt der 32-Jährige, „vielleicht gibt es gleich einen Roadtrip, da ist es leichter reinzukommen. Da kann man mal gemeinsam Essen gehen und sich gleich integrieren“. Auch wenn der Wechsel mitten in der Saison kommt, sieht er sich durch seine Erfahrungen aus der NHL gewappnet. Kossak betont: „Der Athlet muss es schaffen, sich vor Ort wohlzufühlen“.
Für Holzer war vor allem der Beginn seiner Zeit in Übersee schwierig. „In Nordamerika bist du einer von vielen. Es wird nicht mehr so viel kommuniziert mit jedem Einzelnen“, beschreibt er. Holzer biss sich durch und kann auf einen bemerkenswerten Weg zurückblicken, zumal immer wieder schwierige Phasen dabei waren. Daraus hat der Defensivspieler viele Lehren gezogen und sich mentale Stärke angeeignet. Er warnt jedoch davor, zu viel zu wollen und zieht den Vergleich zu Treibsand. „Desto mehr man versucht rauszukommen, desto tiefer sinkt man ein“. Auf dem Eis sei es dann wichtig, „die einfachen Dinge richtig zu machen und seine Stärken auszuspielen“, erklärt Holzer. Um ein Tief zu überwinden, helfen auch „die Familie und das richtige Umfeld ungemein“. Die richtige Mentalität bleibe aber der Schlüssel: „Kontrolliere das, was du kontrollieren kannst!“ Das sei gerade für junge Talente ein wichtiger Ratschlag, sekundiert Karl Schwarzenbrunner.
Kossak folgt aus seiner Perspektive, dass in solchen Tiefs „Selbstreflexion“ äußerst hilfreich sei. Außerdem sei es wichtig, eine Toleranz für das Unvorhersehbare zu entwickeln. „Alles was ich kontrollieren kann, sollte ich kontrollieren. Auf den Rest muss ich vertrauen. Oder Toleranz haben, wenn es nicht so wird.“ Der richtige Umgang mit Misserfolgen gehöre somit auch dazu. „Misserfolg tut weh“, sagt Kossak, aber die mentale Einstellung sei beeinflussbar. Insbesondere talentierte Sportler kämen irgendwann an den Punkt, an dem Talent allein nicht mehr reiche.
Aus den Hochs der Karriere müsse man Stärke ziehen und die positive Erlebnisse viel intensiver abspeichern als negative. „Man braucht eine Balance, um gute Erinnerungen zu behalten und schlechte eher zu verdrängen“, sagt Holzer. Kossak moniert in diesem Zusammenhang eher die deutsche Mentalität an, die sehr darauf basiert, Fehler zu suchen, anstatt auch die positiven Aspekte herauszuarbeiten. Holzer bestätigt diese Aussage mit seinen Erfahrungen aus der NHL: „Die Spieler haken Situationen schneller ab. Sie haben dieses Selbstvertrauen und eine gesunde Arroganz. Drüben herrscht eine spürbar andere Mentalität.“ Schwarzenbrunner möchte schließlich von Tom Kossak wissen, ob denn auch Sportler in einer Hochphase seinen Rat suchten. „Für mich ist es wichtig, auch bei den positiven Momenten meiner Athleten dabei zu sein“, erklärt Kossak. Er wolle für seine Athleten „ein Begleiter in allen Phasen“ sein, es sei aber weitverbreitet, dass sein Berufsstand problemorientiert gesehen werde – ganz nach dem Motto: „Ich habe kein Problem, ich muss nicht zu dir.“ Die Corona-Pandemie ist fraglos ein solches und Kossak Expertise hilfreich. Er zieht Parallelen zu einer langen Verletzungsphase. „Man muss mit Geduld und Weitsicht vorgehen und mit gesundem Menschenverstand handeln.”
Hier geht’s zur Podcast-Folge mit Korbinian Holzer und Dr. Tom Kossak.