Tim Stützles Name wird beim NHL-Draft früh fallen – so viel ist sicher. Wenn man den Meinungen der Eishockeyexperten aus aller Welt Glauben schenkt, dann ist die Frage eigentlich nur: An Nummer zwei oder drei. Turbulente Monate liegen hinter dem 18-Jährigen der Adler Mannheim mit unzähligen Interviews und auch Terminen mit nordamerikanischen Medien. In der Nacht zum Mittwoch weiß Stützle dann endlich Bescheid, wohin die Reise geht. „Es ist auf jeden Fall mein Ziel in den Top-Drei gezogen zu werden. Die Chancen stehen gut“, sagt er selbst.
Stützle ist der am höchsten gehandelte Spieler eines deutschen Trios mit glänzender Perspektive, neben ihm könnten auch Lukas Reichel und John Peterka bereits in der ersten Runde den Namen ihres künftigen NHL-Clubs kennen. Dies hätte eine historische Dimension. „Ich hoffe, dass es klappt. Es wäre für das deutsche Eishockey ein großer Tag“, sagt Bundestrainer Toni Söderholm, der die Entwicklung der drei Youngster im U20-DEB-Team eng begleitet hat und beim letzten WM-Turnier in Tschechien als Assistent auch U20-Bundestrainer Tobias Abstreiter unterstützte.
Bei Stützle hat Söderholm einen Zuwachs an Muskelmasse ausgemacht, „er ist kräftiger geworden“, meinte der Finne, dies habe aber „die Handlungsschnelligkeit auf dem Eis nur positiv beeinflusst.“ Der gebürtige Viersener, der im Nachwuchs des Krefelder EV 1981 heranwuchs, sei „neugierig“ und wolle „sich wirklich jeden Tag verbessern“, erkennt der DEB-Coach. Zudem sei Stützle klar, dass „ein unglaublich langer Weg bis zu einem perfekten Eishockeyspieler“ noch auf ihn warte. Und so ehren den variabel agierenden Stürmer die Vergleiche mit einem Leon Draisaitl zwar, aber er weiß ebenso genau: „Ich bin noch sehr weit entfernt von dem, was er geleistet hat. Da ist noch ein sehr, sehr weiter Weg vor mir.“
Was er bislang geschafft hat, ist, weltweit zu einem der begehrtesten Spieler seines Jahrgangs zu werden. Dies gelang Stützle, der in seiner Kindheit die Pittsburgh Penguins und Sidney Crosby bewunderte, mit einer überzeugenden ersten Profisaison und 34 Scorerpunkten in 41 Ligaspielen. Auch international war Stützle konkurrenzfähig und wer weiß, wenn die Corona-Pandemie nicht alles verändert hätte, wäre vielleicht sogar seine erste A-WM noch hinzugekommen. Aber auch hierbei sucht er das eher das Gute als zu hadern. „Ich hatte einen langen Sommer, konnte an vielen Dingen off-ice arbeiten, die ich noch verbessern wollte“, sagt Stützle, „das tat mir gut. Ich habe ein paar Kilo draufgelegt, ich fühle mich sehr gut, noch besser als letztes Jahr.“
Die Draftnacht von Dienstag auf Mittwoch verbringt Stützle mit seiner Familie und den Mannheimer Mannschaftskollegen. „Ich hatte einfach das Gefühl, dass sie einen großen Anteil daran haben und deshalb sollen sie auch dabei sein“, erklärt er. Und in diesem Umfeld lässt es sich auch leichter verschmerzen, dass die große Show in Montreal ausfiel und die Talentziehung digital stattfindet. „Das macht keinen großen Unterschied. Es wird trotzdem für immer in Erinnerung bleiben“, sagt Stützle, der wahrscheinlich bei den Los Angeles Kings mit Co-Trainer Marco Sturm oder den Ottawa Senators landen wird. An Position eins gilt der Kanadier Alexis Lafreniere als gesetzt.
Nach der wegweisenden Nacht kann sich Stützle dann wieder auf seine sportliche Entwicklung konzentrieren, die ihn – so sein Wunsch – umgehend nach Nordamerika führen soll. „Mein Ziel ist, so schnell wie möglich nach Amerika oder Kanada rüberzugehen und den nächsten Schritt zu machen. Mein Ziel ist, in der nächsten Saison in der NHL zu spielen“, sagt Stützle selbstbewusst. Und die Zeit bis dahin, die will er am liebsten bei den Adlern in der PENNY DEL verbringen. „Ich sehe keinen Grund, von Mannheim wegzugehen, solange es drüben nicht losgeht.“ Schließlich hat ihm diese Umgebung bislang äußerst gutgetan.
Fotos: DEB/Jan-Malte Diekmann