Leon Draisaitl: „Ich bin sehr glücklich, wie es gerade läuft“

Exklusiv-Interview mit dem deutschen Shooting-Star über die NHL-Saison und seine WM-Pläne

Was haben NHL-Superstars wie Sydney Crosby, Jonathan Toews, Rick Nash, Anze Kopitar, Ryan Getzlaf oder der legendäre Jaromir Jagr gemeinsam? Klar, sie sind alle vielumjubelte Topspieler in Nordamerika und genießen einen hohen Stellenwert bei den Fans. Aber ein 20 Jahre alter Spieler aus Deutschland stellt genau diese außergewöhnlichen Spieler gerade in den Schatten: Leon Draisaitl. Der gebürtige Kölner „rockt“ in dieser Saison die beste Eishockey-Profiliga der Welt. Nach nur 19 Einsätzen für die Edmonton Oilers kommt der deutsche Nationalstürmer auf satte 22 Scorerpunkte (9 Tore und 13 Vorlagen). Erst gestern beim 4:3-Overtime-Sieg gegen die San José Sharks steuerte er ein Tor und die Vorlage zum entscheidenden Treffer in der Verlängerung bei. Es könnte derzeit also kaum besser laufen für das das deutsche Ausnahmetalent.

Im folgenden Exklusiv-Interview spricht der Kölner Shootingstar nicht nur über die laufende Saison mit den Oilers, sondern auch über die große Enttäuschung zum Saisonstart, den Kampf zurück ins Team, seine aktuelle Rolle in der Mannschaft sowie über die Pläne, bei der WM 2016 in St. Petersburg und später bei der Olympia-Qualifikation in Lettland für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen.

Leon, erstmal Glückwunsch. Letzte Nacht gab es einen 4:3-Overtime-Sieg über die San Jose Sharks. Es war euer vierter Sieg in Folge. Du hast ein Tor selber geschossen und den entscheidenden Treffer von Taylor Hall mustergültig vorbereitet. Wie hast du das Spiel gesehen?
Ja, vielen Dank. Es hat total Spaß gemacht. Im ersten Abschnitt kamen beide Teams noch nicht so richtig ins Spiel, danach aber ging es hoch und runter. Vor allen Dingen die Fans haben uns gepusht. Es macht immer Spaß, vor solch einer Kulisse zu spielen. Es ist toll, dass Tyler Hall dann der entscheidende Treffer gelungen ist. Er hat sich super freigelaufen. Wir freuen uns aber alle am meisten für unseren Coach Todd McLellan, der ja sieben Jahre bei den Sharks an der Bande stand und für den es sein erstes Spiel gegen sein altes Team war.

Du  hast jetzt 22 Scorerpunkte nach nur 19 Einsätzen auf dem Konto, bist einer der Stars bei den Oilers und sorgst für Furore in der NHL. Hättest du dir das vor der Saison so ausgerechnet?
Mein Ziel war es immer, in der NHL zu spielen und besonders bei den Oilers Fuß zu fassen. Natürlich hofft man auch, dann auch so einen Start zu haben. Man muss an sich selbst glauben und dass man es auch schaffen kann. Aber erwarten kann man sowas natürlich nie. Deswegen bin ich sehr glücklich darüber, wie gut es für mich persönlich gerade läuft.

Dabei verlief der Saisonstart alles andere als gewünscht für dich. Wie groß war die Enttäuschung, nach dem du kurz vor Beginn der Spielzeit ins Farmteam nach Bakersfield geschickt wurdest?
Ich muss zugeben: Die Enttäuschung war riesig, weil ich den ganzen Sommer sehr auf die Oilers fixiert war und so hart gearbeitet habe. Wenn man dann kurz vor dem Start hört, dass man ‚runter‘ muss, ist das extrem bitter. Aber im Nachhinein gesehen war es gut für mich. Dieser Schritt hat mir in gewisser Weise weiter geholfen und das ist das wichtigste.

Verdaut man so eine Entscheidung schnell oder knabbert man länger daran, weil man so enttäuscht ist? Oder einfach: Jetzt erst recht!
Ich denke, es ist von beidem ein wenig. Um ganz ehrlich zu sein: Es hat ein paar Tage gedauert, bis ich das verdaut hatte. Aber dann habe ich mir gedacht: Umso härter muss du jetzt einfach arbeiten.

Wie und wann hast du erfahren, dass du zurück nach Edmonton sollst?
Am Abend vor meinem ersten Spiel gegen die Montreal Canadiens wurde mir Bescheid gesagt, dass ich am nächsten Morgen, also am Spieltag, wieder nach Edmonton fliegen soll.

Besser hätte dein diesjähriges NHL-Debüt nicht laufen können. Zwei Tore im ersten Spiel beim 4:3 über die Canadiens, dazu den Game Winner – was war das für ein Gefühl?
Es war ein sehr cooles Gefühl und natürlich ein perfekter Start für mich persönlich. Dass wir dann auch noch gewonnen haben, war umso besser.

Seit dem läuft es wie am Schnürchen für dich. Wie erklärst du dir deine starken Leistungen?
Ich denke, dass ich das Vertrauen vom Trainer jetzt habe und das gibt einem das nötige Selbstbewusstsein. Das hilft sehr dabei.

Hast du immer mit den gleichen Nebenleuten gespielt bzw. musstest du dich immer wieder auf anderen Positionen zurechtfinden?
In den ersten Partien habe ich noch auf dem Flügel zusammen mit Ryan Nugent-Hopkins und Taylor Hall  gespielt. Dadurch, dass Connor McDavid verletzt ist, bin ich wieder auf meine angestammte Position als Mittelstürmer gewechselt. Mit Taylor Hall spiele ich immer noch. Ab und zu haben wir mit einem anderen Rechtsaußen gespielt, meistens ist es aber Teddy Purcell.

Auch die Gegner sehen ja mittlerweile, dass eure Reihe regelmäßig scort. Wird man aufgrund des Erfolges jetzt härter von den Gegenspielern angegangen?
(lacht). Oh, ja, definitiv. Wir spielen immer gegen die besten Reihen der gegnerischen Teams. Das macht es für uns natürlich deutlich schwerer. Aber auf der anderen Seite ist es auch eine sehr gute Herausforderung für unsere Linie und mich selber.

Derzeit läuft es super für dich. Aber in der NHL muss man jeden Tag seine Leistungen bringen, sonst kann es auch ganz schnell gehen, dass man wieder im Farmteam landet. Verschwendet man einen Gedanken daran, dass es irgendwann wieder so kommen könnte?
Nein, eigentlich nicht. Wichtig ist, dass man das nötige Selbstvertrauen hat und sowas hilft sehr.

Wie reagieren deine Freunde und Bekannte auf deine Erfolge?
Sie freuen sich sehr für mich. Ich bekomme nach Spielen viele Nachrichten von zu Hause aus Deutschland.

Apropos Deutschland: Verfolgst du eigentlich die DEL?
Ja, klar. Ich gucke mir ab und zu auch die Spiele an, wenn es zeitlich passt. Die Highlight schaue ich immer – von allen Spielen!  Vor allen Dingen verfolge ich, was meine besten Freunde Dominik Tiffels und Dominik Kahun in Hamburg bzw. München machen. Es freut mich riesig, dass sie beide bisher so eine starke Saison spielen. Wir haben viel Kontakt zueinander.

Ihr habt ja auch schon gemeinsam in der U20 gespielt: Im letzten Jahr hast du gefehlt, da dir die Freigabe nicht erteilt wurde. Ab Sonntag startet die WM in Wien. Ziel ist der direkte Wiederaufstieg. Du wirst sicherlich sehr gespannt sein, wie es deinem Ex-Team so ergeht, oder?
Ja, auf jeden Fall. Das ist meine alte Truppe und wir hatten bei der U20 eine super Zeit. Da hängt auch noch so ein wenig das Herz dran. Ich hoffe sehr, dass sie den direkten Wiederaufstieg schaffen. Das wäre sehr wichtig für das deutsche Eishockey. Ich werde von hier die Daumen drücken.

Was macht Leon eigentlich so privat, wenn er mal nicht trainieren oder spielen muss?
Och, das ist ganz unterschiedlich. Manchmal reicht es mir, ganz entspannt zu Hause zu sein und abzuschalten. Wir spielen ja sehr oft und sind viel unterwegs. Manchmal verabrede ich mich mit meinen Jungs aus dem Team und wir unternehmen etwas gemeinsam. Je nachdem, wie viel Zeit ist.

Kanada ist jetzt nicht so die große Fußball-Nation. Trotzdem informierst du dich in Edmonton bestimmt auch über die Fußball-Bundesliga, oder?
Aber sicher. Als „Kölsche Jung“ schaue ich immer, was so beim 1. FC Köln los ist und wie die so spielen. Allerdings ist auch Bayern mein Verein. Die beiden Clubs habe ich eigentlich immer im Fokus.

Kommen wir zur Nationalmannschaft: Marco Sturm ist neuer Bundestrainer, gerade hat die deutsche Auswahl den Deutschland Cup gewonnen. Verfolgst du die Entwicklung?
Da habe ich natürlich sehr genau hingeschaut, weil ich informiert bleiben möchte, wie der Stand der Dinge ist und was so abgeht. Der Saisonstart hat mit dem Sieg beim Deutschland Cup ja hervorragend geklappt, ich habe mich für die Jungs sehr gefreut und hoffe, dass es in Zukunft so weitergeht.

Gesetzt den Fall, die Edmonton Oilers verpassen die Playoffs: Wirst du für Deutschland an der WM in Russland teilnehmen?
Das ist für mich natürlich noch weit weg und etwas früh, darüber nachzudenken. Zunächst möchte ich den größtmöglichen Erfolg mit den Oilers. Darauf liegt die Konzentration. Aber, wenn dann nichts dazwischen kommt, würde ich natürlich gern mein Land vertreten, ist doch klar.

Auch die Olympia-Qualifikation in Lettland steht Anfang September auf dem Programm. Alle NHL-Spieler können dabei sein. Wie wichtig ist dieses Turnier für euch?
Es ist unheimlich wichtig für uns, für das gesamte deutsche Eishockey. Wir wollen uns unbedingt qualifizieren und deswegen wird jedes Spiel extrem wichtig sein. Es wäre überragend, wenn wir wieder bei den Olympischen Spielen dabei sein könnten.

Leon, danke für deine Zeit. In Deutschland gibt es sehr viele NHL-Fans, die auch den Weg der deutschen Spieler genau verfolgen. Noch ein Wort an die Fans zum Abschluss?
Gern. Natürlich grüße ich die zahlreichen Eishockey-Fans in ganz Deutschland hier aus dem fernen Edmonton. Es freut mich, wenn die deutschen Anhänger auch zu uns rüber gucken und sich für die NHL interessieren. Dann nutze ich diese Möglichkeit auch direkt, allen Fans jetzt schon eine schöne Advents- und Weihnachtszeit zu wünschen.