Reindl: „Der ganze Wettbewerb macht Appetit auf die 2017WM“

Der DEB-Präsident und Präsident von Team Europa im offenen Gespräch über den WCH und vieles mehr

Franz Reindl ist glücklich und genießt den Moment, das ist ihm anzusehen. Der DEB-Präsident schwebt in diesen Tagen auf Wolke Sieben, was nicht nur mit der erfolgreichen Qualifikation der deutschen Nationalmannschaft für die Olympiade 2018 Anfang September zusammenhängt, die seinem Verband wichtige Gelder und Fördermittel durch den Bund bescheren wird.

Nein, Reindl ging auch im vergangenen Jahr das Projekt Team Europa für den World Cup of Hockey 2016 mit großer Leidenschaft und Begeisterung an, als der stellvertretende NHL Commissioner Bill Daly ihn anrief und fragte, ob er Präsident der neu zu gründenden Mannschaft werden wolle.

„Ich habe mich wie ein frisch gedrafteter Spieler gefühlt, als Bill mich angerufen hat und fragte, ob ich Präsident von Team Europa werden wolle“, erzählte Reindl und fügte mit einem Grinsen hinzu: „Ich habe mir auch unheimlich viel Bedenkzeit erbeten und nach 15 Sekunden zugesagt.“

Und nun saß er am vergangenen Montag im Medienzentrum im Air Canada Centre in Toronto und absolvierte souverän eine längere Pressekonferenz auf Englisch. Doch anstatt sich rechtfertigen zu müssen, warum Team Europa wie von vielen erwartet worden war, in der Vorrunde gescheitert wäre, durfte er mit Inbrunst und viel Freude erläutern, warum seine Mannschaft überraschend im Finale stehen würde und etablierte Nationen wie USA, Tschechien und Schweden hinter sich gelassen hätte.

Reindl genoss diesen Augenblick sichtlich, so wie es auch in dem anschließenden Interview mit NHL.com/de zu erkennen war. Der 61-jährige ehemalige Nationalspieler hat den DEB in seinen nun über zwei Jahren Amtszeit deutlich erkennbar auf bessere Wege geführt und hat Visionen, die er selbst beim Team Europa positiv eingebracht hat.

„Herr Reindl, wie sind Sie als DEB-Präsident zufrieden mit dem Auftreten der deutschen Spieler im Team Europa?“

„Alle deutschen Spieler, auch diejenigen die nicht spielen, tragen zu dieser exzellenten Mannschaftsleistung und dem, was wir erreicht haben bei, denn wenn du einen dabei hättest, der nicht mitzieht, dann würde es nicht gehen. Ich kann von daher nur ein Kompliment an alle machen. Unsere beiden Torhüter Philipp [Grubauer] und Thomas [Greiss], die jeden Tag hart trainieren und für den Fall vorbereitet wären, falls [Jaroslav] Halak ausfallen würde. Was der Christian [Ehrhoff] macht ist phänomenal. Er punktet, spielt defensiv stark und ist eine feste Größe im Mannschaftsgefüge. Dennis [Seidenberg] macht eine hervorragende Arbeit. Umso mehr man ihn braucht, umso mehr ist er da. Er spielt hart und ist präsent, ein wichtiger Faktor für unser Team. Und dann in der Offensive muss man über Leon [Draisaitl] nicht viel sagen, denn er kann jetzt schon Spiele fast im Alleingang entscheiden. Er hat uns da hin gebracht, wo wir jetzt sind und ist eine ständige Gefahr für die Gegner. Genauso wie Tobi[as Rieder], der unglaublich schnell und mutig im Spiel nach vorne ist. Der perfekte Spieler für Unterzahl, weil er für Unruhe beim Gegner sorgt. So können wir in der Summe mit jedem deutschen Spieler zufrieden sein, was mich als DEB-Präsident natürlich sehr stolz macht, weil es eine Visitenkarte und Auszeichnung für das deutsche Eishockey ist.“

„Wie sehen Sie die Altersstruktur im Team, nachdem im Vorfeld das hohe Alter in der Verteidigung diskutiert wurde, wo nur Luca Sbisa und Roman Josi unter 30 Jahre sind?“

„Ich denke Ralph [Krueger] und sein Team haben eine perfekte Mischung aus Jung und Alt gefunden, wie sie Team Kanada und Team USA nicht hatten. Kanada kann das durch seine Leistungsdichte kompensieren, aber bei den USA hat man schon gemerkt, dass dieses junge Element fehlte. Das hatte ich schon im Vorfeld als Nachteil beschrieben.“

„Lassen wir es uns noch einmal auf der Zunge zergehen: Team Europa im Finale beim World Cup of Hockey. Was bedeutet der Erfolg für Sie?“

„Ich gehe davon aus, dass man uns etwas ernster nehmen wird als in der Vergangenheit. Ich bin einfach nur glücklich über das, was hier erreicht wurde. Du gehst natürlich mit so einem Auftreten deiner Mannschaft ganz anders in einen Raum hinein, wenn Meetings stattfinden. Es macht unheimlich Spaß. Ich nehme heute zum ersten Mal in meinem Leben an einem NHL, NHLPA Directory Meeting teil und ich gehe zum ersten Mal in ein Finalmeeting. Für mich phänomenal. Ich war schon in ein paar Viertelfinalmeetings und in einem Halbfinalmeeting 2010 und jetzt gehe ich da rein und es sind nur noch zwei Teams und du bist dabei. Ich muss ehrlich sagen, ich fühle mich total frisch und jung und bin einfach nur noch begeistert.“

„Wie wichtig ist der Erfolg auch für die Wirksamkeit in der Öffentlichkeit bezüglich der Weltmeisterschaft 2017 in Deutschland und Frankreich? Mit Marc-Edouard Bellemare steht auch ein Franzose im Team Europa.“

„Der ganze Wettbewerb hier macht einen großen Appetit auf Eishockey, wenn man sieht was hier geleistet wird und wie hoch die Qualität des Spiels ist. Es macht einfach einen unglaublichen Vorgeschmack auf die Weltmeisterschaft. Dort werden, wie es aussieht, auch 140 bis 150 NHL-Spieler dabei sein. Daher wird die Qualität sehr hoch sein. Und dass unser Partner Frankreich hier mit Bellemare vertreten ist, der schon eine Schlüsselrolle in dieser Mannschaft spielt, ist gut.“

„Gerade diesen Spieler hatten wenige auf der Liste …“

„Ich bin froh darüber, dass Ralph Krueger den Blick dafür hatte, wer ins Team passt. Er hat das perfekt zusammengestellt und das Momentum, das wir jetzt haben, konnte nur so erreicht werden. Es ist ein langwieriger Prozess, den ich in dieser Form zum ersten Mal erlebt habe. Wie man Spieler beobachtet und wie man ein Team selektiert. Wir hatten 58 Spieler in der Auswahl, die mussten beobachtet und mit ihnen gesprochen werden. Zuvor wurden die Scouts ausgewählt, die von Ralph selbst geschult wurden. Das war hoch professionell. 300 Reports mussten ausgewertet werden und zu jedem einzelnen Spieler musste man einen eigenen detaillierten Report erstellen. Das war auch für mich eine Lernphase und eine tolle Erfahrung.“

„Inwiefern bestätigt sie dieser Erfolg von Team Europa, in dem deutsche Spieler wesentlich beteiligt sind, auch bei Ihrem Projekt ‚POWERPLAY 26‘, das deutsche Eishockey in die Weltspitze zu führen?“

„Wir haben viele, viele Mosaiksteine, von denen wir viele bereits erfültt haben. Wir haben für finanzielle Sicherheit gesorgt. Wir haben für einen runden Tisch gesorgt. Die DEL-Klubs sind wieder an Bord, begleiten die Nationalmannschaft und sehen sie als Topprodukt. Weil nur so bekommt das Eishockey die überregionale Presse, die Aufmerksamkeit erregt. Es sind sonst nur punktuelle Standorte, wo DEL gespielt wird, aber das Überregionale hat uns lange total gefehlt. Erfolge, wie sie nun das Team Europa hat, bringt uns in die überregionale Presse. Das schaffen wir nur, wenn wir eine Vision haben, aber Vision braucht auch ständig begleitende Erfolge. Wir haben unter Marco Sturm eine gute Weltmeisterschaft gespielt, uns für Olympia qualifiziert und plötzlich beginnen auch die Vereine, die Trainer, die Nachwuchsspieler zu glauben, dass es möglich ist die Vision zu verwirklichen. Team Europa war ebenso eine Vision, zwar eine kleinere, aber man sieht dass es nur so zu Erfolgen führen kann. Wir haben uns das Ziel gesetzt weit zu kommen. Ich fahre nicht zu so einem Turnier, um in der Vorrunde auszuscheiden, das habe ich schon vorher gesagt. Und selbst wenn der Gegner übermächtig scheint, wie jetzt Kanada, muss man daran glauben und sein Bestes geben. Dann kannst du auch morgens in den Spiegel schauen. Und das alles, auch der Erfolg von Team Europa hier, führt dazu, dass langsam in Deutschland der Glaube daran wächst, was mit `POWERPLAY 26` möglich ist. Und der Glaube kann bekanntlich Berge versetzen. Aber ohne ihn, wird man kläglich scheitern.“

„Wie sehen Sie das internationale Engagement der NHL?“

„Ich finde es toll, wenn die NHL uns ernst nimmt. Und dass Team Europa jetzt im Finale steht, das hilft dem Eishockey global. Es ist unvorstellbar aus wie vielen Ländern und Verbänden ich Nachrichten bekommen habe. Aus Georgien, sogar aus Mexiko. Das hat die NHL verinnerlicht und der Austausch zwischen der NHL und dem internationalen Verband ist wesentlich intensiver geworden als früher. Die Zusammenarbeit ist für beide unheimlich wichtig, um das Eishockey global voran zu bringen. Die NHL ist nach wie vor das Ziel aller jungen Spieler. Von daher hat diese Liga unheimliche Anziehungskraft, es ist eine Marke, die wir auch für die Entwicklung unserer Spieler in Deutschland nützen müssen.“

Quelle: von Stefan Herget / NHL.com/de Chefautor